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Doppelter Spaß durch zwei Bildschirme? Eher nicht.

Hype, Hoffnung, halt mal: Studien zeigen nur mäßige Resonanz auf „Second Screen“-Angebote

Mit ein paar Freunden einen besonderen Film im Fernsehen schauen – das kann ein netter Abend werden. Oder ein streitvoller. Je nachdem, ob sich alle einig sind, wann über den Film gesprochen wird – beim Gucken oder hinterher. Wer voll in die Welt des Films eintauchen, sich darin verlieren und nichts verpassen will, wird schnell die Geduld verlieren, wenn für einen Mit-Zuschauer das gemeinsame Erlebnis erst dadurch entsteht, dass man fortlaufend über den Film spricht („Wer ist das?“ – „Keine Ahnung, der ist vorher noch nicht aufgetaucht.“ – „Was passiert jetzt?“ – Keine Ahnung, GUCK DOCH HIN!“ – „Warum macht der das?“ – „Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht mehr als Du. ICH SEH DEN FILM AUCH DAS ERSTE MAL!!!“).

Vielleicht ließe sich der Streit heutzutage vermeiden, wenn der Filmfan dem Dauerredner einfach ein Smartphone in die Hand drückt. Denn jede Menge so genannte „Second Screen“-Angebote ermöglichen inzwischen, sich über das Web 2.0 parallel zu Fernsehsendungen mit Anderen im Netz darüber auszutauschen, bei Live-Sendungen sogar mit der Redaktion zu kommunizieren, oder einfach zusätzliche Inhalte abzurufen – seien es Hintergrundinfos oder sogar eine gezielte Zweit-Bespaßung als Teil einer Filmhandlung.

Doch wie groß ist das Interesse an parallelen Second Screen Angeboten tatsächlich? Diverse Studien zu dem Thema liefern ein eher ernüchterndes Bild.

In den USA ist zum Beispiel der Festplattenrekorder-Anbieter TiVo dieser Frage in seiner „2013 Social Media and Multitasking Survey“ nachgegangen. Kernergebnis: Wenn sie den Fernseher anschalten, schauen die meisten Zuschauer tatsächlich fern. Sich zusätzliche Infos über eine Sendung im Internet zu suchen ist zwar durchaus gängig – passiert aber bei den Meisten erst hinterher. Nur 27 Prozent der Befragten gaben an, dies noch während der laufenden Sendung zu tun. Nachdem die Ausstrahlung vorbei ist, suchen hingegen 46 Prozent im Netz nach Informationen zur Sendung (14 Prozent direkt im Anschluss, 32 Prozent im Laufe einer Woche). Versucht ein Sender, durch Einblenden eines Hashtags eine Twitter-Diskussion parallel zu einer Sendung aufzubauen, nehmen zwar 68 Prozent der Befragten dieses Schlagwort war – aber 63 Prozent derjenigen, die es bemerken, mögen es nicht. 73 der Befragten gaben sogar an, dass sie bei bestimmten, ihnen wichtigen oder viel Aufmerksamkeit erfordernden Sendungen gezielt darauf achten, nichts Zweites gleichzeitig zu machen.

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Quelle / (c) TiVo Inc. (www.tivo.com)

Uli Gleich vom Institut für Kommunikationspsychologie, Medienpädagogik und Sprechwissenschaft der Universität Koblenz-Landau hat für den ARD-Forschungsdienst gleich mehrere Studien zum Thema analysiert – auch hier sind die Ergebnisse eher mager. So nutzen zwar mehr als die Hälfte der Deutschen Internet und Fernsehen „häufig“ oder „manchmal“ gleichzeitig. „Der größere Anteil der Onlineaktivitäten ist dabei allerdings unabhängig vom gerade gesehenen Fernsehprogramm (z.B. Bearbeiten von E-Mails, Surfen). Eine direkt auf eine laufende Sendung bezogene Nutzung des zweiten Bildschirms (z.B. Abrufen von Informationen über das Programm, Kommentare, Teilnahme an einem Quiz) ist im Gegensatz dazu […] noch unterdurchschnittlich ausgeprägt“. Und selbst wenn ein Programm es schafft, auf einem parallelen Kanal viel Aktivität zu erzeugen, heißt dass noch lange nicht, dass es tatsächlich viele Aktive gibt. Als Beispiel führt Gleich die wöchentliche schwedische Talkshow „Hübinette“ an. Unter ihrem Hashtag #hubinette sammelte sie zwar über einen Zeitraum von drei Monaten (also nicht nur während der Ausstrahlung) 2314 Tweets – aber rund 20 Prozent dieser Tweets wurden von nur zehn Nutzern erstellt, während sich die weiteren 80 Prozent auf (auch nur) 800 Autoren verteilten. Und 22 Prozent dieser Tweets waren nur Re-Tweets, also Weiterleitungen.

Was können wir daraus schließen? Auch in Zukunft wird der aktiv als Teil des Fernseh-Erlebnisses gleichzeitig genutzte Second Screen wohl eher die Ausnahme als die Regel bleiben; und auch die Bedeutung der aktiven Zuschauerbeteiligung während laufender Sendungen per Social Media sollte man nicht überschätzen. Wer sich ganz darauf verlässt, kann schnell auf die Nase fallen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sämtliche Second-Screen-Angebote mittelfristig wieder aussterben werden und oder dass eine Weiterentwicklung gar nicht mehr lohnen würde. Wer sein Geschäftsmodell darauf ausrichten will, sollte sich nur bewusst sein, dass die Zielgruppe doch eher überschaubar klein ist. Aber auch Nischenangebote können finanziell erfolgreich sein – vorausgesetzt, sie sind betriebswirtschaftlich so strukturiert, dass keine „Massenbewegung“ notwendig ist, um den Break-Even-Point zu überschreiten. Und selbst wenn man nicht wirtschaftlich, sondern rein redaktionell denkt, sollte man nie erwarten, dass Meinungen und Äußerungen der aktiven Second-Screen-Nutzer repräsentativ für die gesamte Zuschauerschaft wären.

Roland Heintze
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1 Comment

  1. Ich finde, es kommt sehr auf die Sendung an. Bei Klassikern wie Tatort oder dem Eurovision Song Contest ist es sehr unterhaltsam, die Tweets zu verfolgen und selbst mitzumachen – manchmal unterhaltsamer als die eigentliche Sendung! Kommt für mich aber auch nur in Frage, wenn man grad alleine vor dem Fernseher sitzt.

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