Krisen-PR: Gut taktiert ist halb gewonnen - Faktenkontor Krisen-PR: Gut taktiert ist halb gewonnen - Faktenkontor

Krisen-PR: Gut taktiert ist halb gewonnen

Ikea streicht geschickt das unbegrenzte Rückgaberecht

Krisen-PR Ikea RückgaberechtVor zwei Jahren landete Ikea einen Marketing-Coup mit dem unbegrenzten Rückgaberecht für nahezu alle Ikea-Artikel. Jetzt haben die Schweden dieses Recht wieder einkassiert – ohne negatives Echo. Wie Ikea das gemacht hat, ist sehenswert.

Der Möbelhändler nimmt nach zwei Jahren sein zeitlich unbegrenztes Rückgaberecht wieder zurück. Die Kunden haben bei Einkäufen ab dem 1. September 2016 noch ein Jahr Zeit, um Ware ohne Angabe von Gründen zurückzugeben und den Kaufpreis erstattet zu bekommen. Eigentlich müsste diese Einschränkung der bisherigen, großzügigen Umtauschregel zu einer Negativberichterstattung führen. Doch Ikea hat die Kritik gleich im Keim erstickt und drei Argumente ins Feld geführt:

Argument 1 der Krisen-PR: Umtauschrichtlinien werden global vereinheitlicht

Die Rücknahme des unendlichen Umtauschrechts ist keine Willkür. Nein, vielmehr werde das Rückgaberecht in den deutschen Filialen mit einer globalen Ikea-Richtlinie vereinheitlicht, teilte das Unternehmen  mit.

Argument 2 der Krisen-PR: Immer noch längeres Umtauschrecht als üblich

Die Frist von 365 Tagen liege immer noch über dem in der Branche Üblichen und gebe dem Kunden weiterhin Sicherheit gegen Fehlkäufe.

Krisen-PR Ikea Rückgaberecht2Argument 3 der Krisen-PR: Das unendliche Umtauschrecht hat sowieso kaum ein Kunde genutzt

„Wir haben festgestellt, dass unsere Kunden gar keinen Bedarf für eine so lange Frist haben“, sagt der bei Ikea Deutschland für die Kundenzufriedenheit verantwortliche Manager Klaus Cholewa. „Weit über 90 Prozent der Kunden, die einen Artikel umtauschen wollen, kommen in den ersten zwei bis drei Monaten nach dem Kauf. Wir müssen daher keine Prozesse für etwas vorhalten, was gar nicht benötigt wird.“

Diese Argumentation hat offensichtlich ausgereicht, um kritische Fragen von Journalisten und Verbrauchern im Keim zu ersticken. So hätte hinterfragt werden können:

  • Wenn denn so wenig Kunden von dem unendlichen Umtauschrecht Gebrauch gemacht haben, warum musste dann dieses Recht eingeschränkt werden? Betriebswirtschaftliche Gründe kann es dann ja nicht gegeben haben?
  • Es gibt offensichtlich einen Anteil von Kunden, der das Recht in Anspruch genommen hat. Wie viele Kunden werden – bei der Millionenschar von Ikea-Möblierten in Deutschland – tatsächlich pro Jahr schlechter gestellt? Rechnerisch könnten es durchaus mehrere zehntausend Kunden sein.
  • Andere Unternehmen wie die Commerzbank kalkulieren die Kulanz gegenüber Kunden bewusst ein und fahren gut damit. So bietet die Bank 50 Euro, wenn das Girokonto zur Commerzbank umzieht, und weitere 50 Euro, wenn der Kunde mit dieser Entscheidung unzufrieden ist. Dem Vernehmen nach nutzt nur eine absolute Minderheit dieser Kunden diese Entschädigung – die 100-Euro-Formel ist ein quasi kostenfreier Marketinggag für die Bank. Warum verzichtet Ikea auf den Vorteil im Marketing, einen unendlichen Umtauschservice anzubieten, wenn das faktisch so gut wie nichts kostet?

Alle diese Fragen sind nicht aufgetaucht, weil Ikea den Meinungsmarkt von Anfang an mit hinreichend vielen Gegenargumenten bedient hat. Gut gemacht! Krisenkommunikatoren sehen an der Ikea-Geschichte, dass sich die sorgfältige Vorbereitung auf eine kritische Veröffentlichung auszahlt.

Jörg Forthmann

 

Jörg Forthmann
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