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Der alte Markt und das Meer

Nachhaltigkeitsbericht von Adidas überzeugt nicht

Adidas will nachhaltiger produzieren, und hat dafür gleich eine ganze Reihe von Projekten an den Start gebracht. Besonders spannend: Zukünftig soll Plastik-Müll aus dem Meer als Rohstoff für Kleidung dienen, und einige Sportartikel sollen komplett recyclebar werden. Das geht aus dem aktuellen, kürzlich vorgestellten Nachhaltigkeitsbericht des Sportbekleidungsgiganten hervor.

 

Adidas Pressebild Ozean-Konzeptschuh
Zumindest Prototypen gibt es schon:
Aidas-Konzeptschuh aus im Meer gefundenen Plastik-Müll.
Bild Quelle / ©: Adidas-Pressebild.

 

Soweit so schön – nachhaltig wirtschaften und darüber berichten ist eine im Grundsatz gute, sinnvolle und reputationsförderliche Strategie. Denn eine gute Leistung im Bereich Nachhaltigkeit ist einer der fünf entscheidenden Reputationsfaktoren.

Doch ein wirklich großer Wurf ist Adidas mit seinem Nachhaltigkeitsbericht leider nicht gelungen. Bei genauerer Betrachtung hat der Bericht vor allem zwei Schwächen, die seiner Überzeugungskraft doch deutliche Grenzen setzen:

 

  1. Zu viel Zukunft, zu wenig „was bisher geschah“

Je spannender die im Nachhaltigkeitsbericht beschriebenen Projekte werden, umso ferner liegen sie noch in der Zukunft. Die eingangs erwähnten Pläne zu Rohstoffen aus Plastik-Müll aus dem Meer und endlos recyclebaren Sportartikeln? Die stehen noch so weit am Anfang, dass völlig unklar ist, wann wir die entsprechenden Produkte je in unsere Einkaufwagen packen können. Andere Ziele haben klarere Zeitrahmen – bis 2020 will Adidas zum Beispiel in verschiedenen Bereichen (vor allem in seiner Lieferkette) den Wasserbrauch um 20 bis 50 Prozent senken. Und schon bis 2018 will adidas bei seiner verwendeten Baumwolle zu 100 Prozent auf nachhaltige Gewinnung umsteigen. Das ist recht konkret und zeitlich auch nicht so weit weg – aber unterm Strich doch nur eine Absichtserklärung für die Zukunft.

Eher dünn und schwammig wird der Bericht hingegen, wenn es um laufende und abgeschlossene Nachhaltigkeitsprojekte geht. Als abgeschlossen sieht Adidas zum Beispiel sein Ziel „Verpackungslösungen zu optimieren“. Erreicht wurde, Papier/Pappe in „signifikanter“ Menge zu reduzieren. Das ist alles. Nicht „X Tonnen von Y Tonnen insgesamt gespart“, sondern einfach nur „eine relevante Menge“. So unkonkret ist diese Angabe weitgehend wertlos – in etwa, als würde sich Adidas hinstellen und sagen „Also, gefühlt sind wir jetzt irgendwie viel besser als früher“.

Konkrete Zahlen bringt Adidas bei seiner SMS-Hotline für Fabrikmitarbeiter in Zulieferbetrieben auf den Tisch – nur leider nicht die wirklich interessanten. Wir erfahren, dass sich 263.000 Arbeiter in 58 Fabriken aus Indonesien, Vietnam und Kambodscha nicht nur mit Vorschlägen und Fragen, sondern vor allem auch mit ihren Sorgen über dieses System jetzt per SMS an das Management wenden können. Das entspräche rund einem Viertel der Supply Chain. Dabei wundert schon mal, dass ein Viertel für Adidas genug ist, um dieses Ziel als „voll erfüllt“ einzustufen. Und die wirklich relevanten Informationen bleibt der Bericht wieder schuldig – wie oft ist das System schon genutzt worden? Auf wie viel schwerwiegende Probleme ist Adidas so aufmerksam gemacht worden – und wie viele davon wurden gelöst?

Adidas: Hier bitte in Zukunft Butter bei die Fische. Sonst bleibt unterm Strich vor allem der Eindruck: „Adidas ist eine Firma, die sich für die Zukunft sehr viel vornimmt“ und nicht „Adidas ist ein Unternehmen, das viel tut“. Und wie Henry Ford (angeblich) trefflich gesagt hat: „You can’t build a reputation on what you are going to do.”

 

  1. Keine starken Verbündeten

Zweiter Schwachpunkt: Adidas listet zwar eine Reihe von Initiativen und Standards auf, denen sich das Unternehmen angeschlossen hat – aber da fehlen die wirklichen Schwergewichte. So richtet sich Adidas bei der Auswahl verwendeter Chemikalien an den Nachhaltigkeitsrichtlinien von ZDHC und Bluesign® Bluefinder. Doch die „Zero Discharge of Hazardous Chemicals (ZDHC)“-Initiative ist industrie-getragen und steht im Ruf, lediglich Greenwashing zu betreiben, und auch das Bluesign-Siegel ist nach Ansicht von Greenpeace nur „eingeschränkt empfehlenswert“, da unter seinen Richtlinien einige besonders gefährliche Stoffe weiterhin eingesetzt werden dürfen.

Kein Wort findet sich hingegen darüber, dass sich Adidas im Berichtszeitraum wieder der Detox-Kampagne für saubere Kleidung von Greenpeace angeschlossen hat. Seltsam – denn ein überzeugendes Engagement in Zusammenarbeit mit einer in dieser Hinsicht hoch anerkannten, externen Institution wie Greenpeace wäre der Schlüssel zu einem wirklich erheblichen Reputations-Boost. Vielleicht sollte sich Adidas hier mal den neuntgrößten Textileinzelhändler Deutschlands zum Vorbild nehmen. Dann klappt’s auch mit der Reputation.

 

Roland Heintze

 

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Roland Heintze
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