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Kampf der Killer-Mimosen

Wucher-Vorwürfe: Was man sich von Til Schweigers Reputationsmanagement im Zwist mit einer Boulevard-Zeitung abgucken sollte – und was besser nicht

Til Schweiger ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Gastronom. Und just in dieser Rolle hat er gerade ein Problem mit der Hamburger Morgenpost. Die Tageszeitung wirft ihm Wucher vor. Schweigers Reaktion darauf ist ein besonders interessantes Lehrbeispiel für Reputation Management – obwohl sie nur mittelmäßig ist.

Mittelmaß kann man auf zwei Arten erreichen: Entweder, man macht alles mittelmäßig. Oder: Man macht die Hälfte vorbildlich exzellent – und die andere Hälfte abschreckend schlecht. Schweigers Reputationsmanagement ist auf die zweite Art mittelmäßig.

 

Pressebild Til Schweiger im NDR-Hörfunkstudio
Bild Quelle / © : obs/ARD Radio & TV/Benjamin Hüllenkremer

 

Auftakt: Wasser-Wucher?

Den Start des Streits gibt eine Titelgeschichte der Mopo über Schweigers Deli „Barefood“ in der Hamburger Altstadt. Überschrift: „Für 4,20 Euro! Til Schweiger verkauft Hamburgs teuerstes Leitungs-Wasser“.

4,20 Euro für ein schnödes Wasser – das klingt zunächst tatsächlich feist teuer. Der Eindruck verfliegt allerdings recht schnell, wenn man auch den Artikel selbst liest. Darin stellt sich nämlich heraus, dass damit der Preis für einen Liter Wasser gemeint ist – nicht der für ein Glas. Das kostet 1,80 Euro – kein ungewöhnlicher Preis in der Gastronomie. Und für alles andere haben die Autoren nur lobende Worte übrig.

Doch wer nur die Titelzeile liest, wird den Eindruck mitnehmen: In Schweigers Restaurant wird man abgezockt, die Preise sind Wucher.

Das schädigt die Reputation des Restaurants. Eine öffentliche Klarstellung erscheint notwendig. Und damit beginnt der…

Gegenangriff

Schweiger nimmt öffentlich zu den Vorwürfen Stellung – allerdings nicht gegenüber der Mopo, sondern in einem offenen Brief im Stern.

Die Vorwürfe der Mopo entkräftet er darin vorbildlich – sachlich und faktengestützt:

  • 1,80 Euro für ein Glas Wasser ist in der Gastronomie kein ungewöhnlicher Preis
  • Es mag zwar „nur“ Leitungswasser sein – aber die Hamburger Trinkwasserqualität ist exzellent. Abgefülltes Marken-Tafelwasser ist nicht besser. Und das Wasser wird im Barefood zusätzlich in einer Filteranlage entkalkt und (ggf.) mit Kohlensäure versetzt
  • Schweiger betont und erläutert korrekt und verständlich, dass die Verwendung des Leitungswassers deutlich nachhaltiger ist (da Verpackungsmüll und Transport entfallen)
  • Im Restaurant bezahlt man nicht nur die (beim Leitungswasser besonders niedrigen) Rohstoffkosten. Sondern vor allem den Service und die Räumlichkeiten. In meinen Worten: Man bezahlt vor allem dafür, dass man das Wasser gebracht und eingeschenkt bekommt, das Glas nicht abwaschen muss und das Ganze in netten Räumlichkeiten, die man nicht selbst ordentlich halten muss.

Gute, überprüfbare Fakten, die den Wucher-Vorwurf gänzlich entkräften. Mit einem angemessenen Verweis auf die ökologische Nachhaltigkeit. Soweit ist Schweigers Reaktion zur „Ruf-Rettung“ gelungen.

Wenn das denn bloß alles gewesen wäre… war es aber nicht.

Denn Schweiger umrahmt diese sachliche Entgegnung mit üblen Beschimpfungen der Mopo-Journalisten. Sie hätten keinen Sinn für Relevanz und Prioritäten, würden nicht ordentlich recherchieren und seinen Namen zur Auflagen-Generierung missbrauchen. Und zu guter Letzt holt er dann noch den ganz großen Hammer raus:

 

In einer Zeit, in der gegen freie Presse wetternde Populisten, rund um den Globus die Macht an sich reißen, solltet Ihr Euch fragen, ob Ihr mit dieser Art von Journalismus nicht auch einen Beitrag dazu leistet …“

 

Argh.

Natürlich ist sein Ärger verständlich – die Überschrift war reißerisch, fehlleitend und schlecht fürs Geschäft. Dennoch ist es nicht klug, sich von diesem Ärger leiten zu lassen – man läuft Gefahr, alle mit der sachlichen Entgegnung gewonnen Sympathien schnell wieder zu verspielen.

Schweiger mag glauben, sich so als jemand zu präsentieren, der sich nichts gefallen lässt. Tatsächlich erscheint er so aber eher als jemand, der zwar kräftig austeilen, aber nicht einstecken kann.

Plötzlich ist es nicht mehr „kleiner Gastronom muss sich unfairer Berichterstattung erwehren“. Sondern „großer Promi pöbelt gegen arme kleine Reporter“. Und er versucht sich selbst dabei noch größer zu machen, indem er die Berichterstattung über sich mit dem aktuellen Weltgeschehen in Verbindung bringt. Er schwächt unnötig seine eigene Position – und bietet neue Angriffsflächen. Und sorgt so dafür, dass die Sache nicht zur Ruhe kommt, sondern weitergeht in…

Runde 2

Denn die Mopo lässt diese Beleidigungen natürlich nicht auf sich sitzen und sticht genau in die Flanke, die Schweiger unnötig offengelegt hat. Sie schreibt eine Erwiderung unter dem Titel: „Liebe Mimose Til Schweiger…“. Schweiger hat den Markt der Empfindlichkeiten eröffnet, die Mopo geht darauf ein und lässt erstmal fallen, dass Schweiger Anfragen der Zeitung wohl regelmäßig unbeantwortet lässt. Und zeigt sich erstaunt über Schweigers „routinierten Rollenwechsel zwischen Macho und Mimose“. Was beim Leser hängen bleibt: Auch wenn die Aufregung über den Wasserpreis eine Luftnummer sein mag – Schweiger behandelt die Presse schlecht und beschwert sich hinterher über diese.

Besser wäre:

Da Schweiger auch Schauspieler ist, versuche ich es mal mit einem trefflichen Zitat aus der Filmbranche auf den Punkt zu bringen:

 

A gentleman never reacts to rudeness. He pretends he doesn’t recognize it and moves on like it never happened, because it never should have.

 

Sprich, Schweiger hätte besser direkt mit der Mopo gesprochen, und dabei die Fragen einfach so beantwortet, als wären sie sachlich und ohne Vorwürfe gestellt worden. Dafür muss man zwar die Zähne zusammenbeißen, aber es hilft der Reputation.

Roland Heintze

 

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Derweil, bei Mediengau: Wollte sie ihren Job vielleicht zu gut machen? VWs erste Frau im Vorstand, Hüterin für Recht und Ordnung, hat den Dieselgate-Konzern nach nur einem Jahr wieder verlassen. Das fordert dem Autobauer wieder einiges an Krisen-PR ab, zeigt Jörg Forthmann in Brandheiße Personalie: VW trennt sich von Compliance-Vorstand.

 

Roland Heintze
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