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Lidl: Whistleblower willkommen!

Discounter etabliert Meldesystem für Compliance-Verstöße – ein Blick auf die kritischen Details

Pressefoto Lidl-Filiale
Bild Quelle / © obs/LIDL

Lidl geht in die Reputationsoffensive: Der Discounter hat ein Meldesystem für Compliance-Verstöße eingeführt. Mitarbeiter und Geschäftspartner von Lidl können darüber Verstöße gegen geltendes Recht oder interne Richtlinien melden – vertraulich und auf Wunsch auch anonym.

Die Etablierung solcher Strukturen für internes Whistleblowing gehört zum vorbeugenden Reputationsmanagement. Hier besteht in der deutschen Wirtschaft noch erheblicher Nachholbedarf. Beides habe ich hier bereits im Februar dargelegt.

Daher ist die Einrichtung eines Meldesystems grundsätzlich positiv zu bewerten, doch sind bei der Umsetzung viele Details zu beachten. Eine Reihe von Stolperfallen kann verhindern, dass das Meldesystem tatsächlich angenommen wird. Wie gut ist Lidls Meldesystem also bei genauem Hinschauen? Das möchte ich anhand eines dem Faktenkontor vorliegenden Original-Schreibens an Lidls Geschäftspartner bewerten.

Darin wird das Meldesystem vorgestellt und beschrieben, dass es über drei unterschiedliche Kanäle funktioniert: Compliance-Verstöße können entweder über ein verschlüsseltes Online-Meldesystem, direkt bei einem internen Lidl-Compliance-Beauftragten oder bei einer externen Vertrauensanwältin gemeldet werden. Für letztere gilt in Bezug auf die persönlichen Daten des Hinweisgebers eine besonders strenge Verschwiegenheitspflicht. Je nachdem, wie vom Whistleblower gewünscht, kann diese Meldung namentlich oder anonym erfolgen.

Für diese Dreispurigkeit gibt es schon mal ein großes Plus. Die Be- und Ernennung eines konkreten Compliance-Verantwortlichen zeigt, dass der Konzern das Themen ernst nimmt, und er dient als Ansprechpartner für diejenigen, die sich bei einem Mitarbeiter am besten aufgehoben fühlen. Das Online-Meldesystem senkt die Hemmschwelle für die potenziellen Informanten, denen es in Zeiten des Web 2.0 leichter fällt, sich über das Internet zu offenbaren. Die Beauftragung einer externen Vertrauensanwältin wiederum ist eine optimale Lösung für die Fälle, in denen der Whistleblower entweder Angst vor Repressalien hat oder erwartet, nicht ernst genommen zu werden.

Die Hemmschwellen für Whistleblower niedrig zu halten ist aber nur die halbe Miete. Gleichzeitig müssen auch die Ängste von Mitarbeitern adressiert werden, die fürchten, das System könnte für Schlammschlachten oder als Gerüchteküche missbraucht werden. Auch an dieser Front schlägt sich Lidl gut: Das Schreiben beschreibt verständlich, wofür das System da ist (wie zum Beispiel Korruption, Datenschutzdelikte, Verstöße gegen faire Geschäftspraktiken) und wozu nicht. Explizit wird betont, dass es nicht dafür missbraucht werden soll, Kollegen grundlos zu denunzieren, und dass deswegen nur Informationen weitergegeben werden sollen, von deren Richtigkeit der Tippgeber nach bestem Wissen und Gewissen überzeugt ist. Das Schreiben signalisiert glaubhaft, dass Hinweise auf „echte“ Compliance-Verstöße gewissenhaft verfolgt und vertraulich behandelt werden.

Für ein endgültiges Urteil ist es natürlich noch zu früh; das System muss sich in der Praxis noch beweisen (und je besser es funktioniert, umso weniger werden wir davon mitbekommen). Der Erfolg hängt am Ende davon ab, ob tatsächlich angemessen auf eingehende Hinweise reagiert wird. Aber bis hierhin ist Lidl vorbildlich für viele Unternehmen in Deutschland.

Allerdings: Compliance ist nicht das einzige Thema, an dem die Reputation eines Unternehmens hängt – und bei Lidl drücken in letzter Zeit weniger Compliance-Verstöße als mehr der Umgang mit seinen Mitarbeitern auf die Reputation.

Bleibt natürlich noch eine Frage: Warum liegt uns ein Schreiben an Lidl-Geschäftspartner vor? Hat es uns gar ein „Whistleblower“ zugespielt? Nein, Lidl hat es und selbst ganz offiziell ohne weiteren Kommentar per Post zugeschickt. Ich weiß nicht wirklich, wie es dazu kam, vermute aber, dass es eine Reaktion auf unsere eher kritischen Blog-Beiträge über Lidl ist. Und zwar eine sehr gute. Lidl zeigt damit, dass sie die Kritik so aufgefasst haben, wie sie gemeint war – sachbezogen und konstruktiv.

 

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Mehr Compliance hätte auch VW vor seinem größten Reputationsdesaster bewahren können. Jetzt ist die Krise da – und Jörg Forthmann erklärt auf Mediengau, was die Krisenkommunikatoren von VW erwartet.

Roland Heintze
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1 Comment

  1. Nach negativen Erfahrungen bei Lidl kann ich Ihre Einschätzung nicht teilen.
    Nach gravierenden Beschwerden meldet sich weiterhin der Lidl Kundenservice um zu beschwichtigen. Ich kann nicht erkennen, das dort
    Anstrengungen gemacht werden um auch nur den Service zu verbessern. Mails an das Compliance Team bleiben ohne Resonanz, es entsteht der Eindruck diese Einrichtung wurde aus Imagegründen ins Leben gerufen.

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