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Rache ruiniert Reputation

Pflegeskandal in Korian-Heim – Whistleblowerin gefeuert statt gefeiert

Patienten vernachlässigt und misshandelt. Ein Pflegehelfer schlägt eine demente Seniorin. Eine Pflegehelferin informiert die Heimleitung, wird dafür gemobbt und als Querulantin verunglimpft. Die Presse spricht von einem Skandal-Heim, eine Richterin von katastrophalen Zuständen.

Der Ruf des Hamburger Pflegeheims „Emilienhof“ ist zerstört. Keine Überraschung, denn die Heimleitung und der bisherige Eigentümer, der französische Konzern Korian, haben im Zuge eines schweren Skandals beim Reputationsmanagement alles falsch gemacht, was nur falsch zu machen war.

Keimzelle der Krise: Pflegehelferin Sylke V. entdeckt bei Patienten auf der Demenz-Station des Emilienhofs zahlreiche unerklärte Blutergüsse, sogar im Gesicht der hilfsbedürftigen Bewohner. Hinweise auf eine schwere Misshandlung. Also verständigt sie ihre Vorgesetzten. Und deren Vorgesetzte. Dann die Pflegedienst- und schließlich die Heimleitung. Alles vergebens: Niemand reagiert, Sylke V. wird stattdessen als „Querulantin“ verunglimpft.

 

KORIAN Pressebild: Lächelnde Pflegerin mit glücklichen Senioren in einem Aufenthaltsraum in einem Pflegeheim
Glückliche Senioren gut betreut – so stellt sich die Korian Gruppe selbst dar. Doch Europas größter Altenpflegeheimbetreiber steht immer wieder für eklatante Pflegemängel und zu wenig Personal in der Kritik.
© Korian / Foto: Guillaume Leblanc
Quelle: https://www.presse-korian.com/en/group/photos/

 

Auf sich allein gestellt geht Sylke V. den Hinweisen selbst nach – und erwischt einen Kollegen in flagranti, während er eine demente Patientin brutal in ihrem Bett herumschmeißt und die vor Angst schreiende Frau schlägt. Von ihren Vorgesetzten allein gelassen, wendet sich Sylke V. an die Heimaufsicht. Folge: Der Emilienhof muss zunächst sämtliche Schwerstpflegebedürftige auf Anweisung der Behörde an andere Einrichtungen abgeben und darf vorläufig keine neuen Patienten aufnehmen. Und eine Welle negativer Berichterstattung beginnt.

Soweit wäre es nie gekommen – hätte die Heimleitung die ersten Hinweise von Sylke V. ernst genommen und wäre kompromisslos gegen die Vernachlässigung der Bewohner und ihre Misshandlung durch Pflegekräfte vorgegangen. Für den Fall, dass die Heimleitung selbst Teil des Problems ist, hätte Korian eine konzerneigene Anlaufstelle für Whistleblower einrichten und allen Mitarbeitern kommunizieren sollen. Denn erst wenn in der gesamten Unternehmenshierarchie niemand Mitarbeitern Gehör schenkt, die auf (noch dazu derart schwere) Missstände hinweisen, bleibt ihnen keine andere Wahl, als das Problem nach außen zu tragen.

Noch lange nicht das Ende der Verfehlungen: Halbherzige, ausweichende Antworten auf Presseanfragen, ein offensichtlicher Verstoß gegen das eigene Markenversprechen („Ein Platz zum Wohlfühlen“) – das Heim und der Konzern brechen viele der Regeln eines guten Reputation Managements, die wir hier schon oft behandelt haben. Und setzen dann noch einen oben drauf:

Statt Sylke V. für ihren unerschütterlichen Einsatz für ihre Patienten zu belohnen (der dazu führte, dass der Täter wegen Misshandlung Schutzbefohlener angeklagt und verurteilt wurde), feuert das Unternehmen die aufrechte Pflegehelferin. Zu Unrecht, wie ein Arbeitsgericht kurz darauf wenig überraschend feststellt.

Doch auch mit der Kündigung ist der Vorrat an schlechten Einfällen noch nicht ausgeschöpft. Laut Sylke V. wurde ihr angedroht, „dass man alles daransetzen werde, dass ich in meinem Beruf nie wieder eine Stelle finde.“ Und das sollte keine leere Drohung bleiben: Eine PR-Agentur diffamiert Sylke V. daraufhin mit nachweißlich falschen Angaben bei Print- und TV-Redaktionen als vermeintliche Betrügerin. In der Branche werden Gerüchte in Umlauf gesetzt, sie sei eine „schwierige“ Mitarbeiterin, potenzielle neue Arbeitgeber werden vor ihr „gewarnt“.

Es scheint, als lebe dort jemand Rachegefühle aus. Eine ganz schlechte Idee, die das Schicksal des Emilienhofs endgültig besiegelt. Denn:

Nachtreten bleibt nicht unbemerkt!

Es kommt, wie es kommen muss: Kündigung und Schmutzkampagne fanden natürlich ihren Weg in die Berichterstattung und verschlimmern das desolate Bild des Emilienhofs weiter. Der Reputationsverlust scheint zu massiv, als dass ein Weiterbetrieb möglich erschiene: Zum ersten September wurde das Heim verkauft. Der neuen Besitzer ist sich des schwierigen Erbes bewusst und räumt gegenüber der Presse ein, „es hätte schon sehr viel Mut dazu gehört, ein Pflegeheim mit einem solch unterirdischen Ruf zu kaufen.“ Dafür war das Haus sicherlich ein Schnäppchen…

Epilog mit Happy End

Für Korian war der Skandal damit sowohl unter Reputations-Gesichtspunkten als auch wirtschaftlich ein selbstverschuldetes Fiasko. Auch der Versuch, Sylke V., Mutter zweier Kinder, zu ruinieren, schlug letztlich fehl: Sie hat inzwischen einen neuen Job in einem anderen Pflegeheim. Auch dessen Leiterin erreichte die Schmutzkampagne: „Ich wurde vor Frau V. gewarnt, aber ich gebe auf Gerüchte nichts. Ich mache mir ein eigenes Bild, und ich muss sagen, ich bin überaus zufrieden mit ihr.

Damit hat die Geschichte auch einen Reputationsgewinner. Durch die Einstellung von Sylke V. zeigt ihr neuer Arbeitgeber Kunden (und deren Familien): Wir legen Wert auf Pflegekräfte, denen das Wohl ihrer Patienten wirklich am Herzen liegt.

 

Roland Heintze

 

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Roland Heintze
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