Lidl: Mit Genfutter-freien Milchprodukten zu einer besseren Reputation
Discounter und Umweltschutzorganisationen scheinen uns normalerweise natürliche Feinde zu sein. Denn „mehr billig“ kommt in der Regel durch „weniger öko“ zustande. Umso größer ist der Schub für die Reputation eines Billig-Marktes, wenn es ihm gelingt, öffentliches Lob von renommierten Öko-Aktivisten einzufahren.
Genau das hat Lidl gerade geschafft: Der Discounter hat angekündigt, die Milchprodukte seiner Eigenmarke „Milbona“ fortan nur noch ohne gentechnisch veränderte Futtermittel herzustellen – und damit sogar Greenpeace zum Jubeln gebracht.
Frischmilch ist seit Juli als erstes garantiert Genfutter-freies Milbona-Milchprodukt in den Lidl-Regalen zu finden, weitere sollen schrittweise folgen. Die Maßnahme fand nicht nur bei den Grünfriedlern Anklang, sondern auch ein großes, positives Medienecho. Lidl wird (zu Recht) als Vorreiter gefeiert, der freiwillig dem Verbraucher-Bedürfnis nach Gentechnik-freien Nahrungsmitteln nachkommt.
Für den Ausbau der Reputation von Lidl ein sinnvoller, zielführender Schritt. Zumal die verkauften Produkte (zusammen mit der Performance des Managements) im Allgemeinen den stärksten Einflussfaktor auf die Reputation von Handelsunternehmen darstellen. In einem Bereich, in dem die gesamte Discounter-Branche eher eine schwache Reputation hat, gelingt es Lidl so, sich positiv vom Wettbewerb abzuheben.
Trotzdem hat Lidl in Bezug auf seine Reputation immer noch eine leicht angreifbare, offene Flanke, die der Discounter mit dieser Maßnahme nicht schließen kann. Denn auch wenn die schlimmste Phase inzwischen mehr als zehn Jahre her ist, so steht Lidl doch immer wieder vor allem für den Umgang mit seinen Mitarbeitern in der Kritik. Zwar attestiert selbst ver.di dem Discounter inzwischen zumindest ein erkennbares Bemühen um mehr Attraktivität als Arbeitgeber. Wichtiger wäre hier aber ein von anerkannten, externen Experten bestätigter Erfolg dieser Bemühungen. Lidl sollte deswegen auch in diesem Bereich vergleichbar große Anstrengungen unternehmen. Wenn es Lidl gelingt, von ver.di für einen respektvollen Umgang mit seinen Angestellten genauso (verdient) gelobt zu werden wie von Greenpeace für seine „Gen over“-Initiative – erst dann hat die Kette die Chance, dauerhaft der Discounter mit der besten Reputation zu werden.
Roland Heintze