Juristische Kniffe für Krisenkommunikatoren
von Dr. Johannes Gräbig, Rechtsanwalt in der auf das Medien- und Presserecht spezialisierten Kanzlei Höcker in Köln.
Wikileaks, Afghanistan-Papiere, LuxLeaks und zuletzt die Panama Papers – immer häufiger werden riesige Datenberge mit sensiblen Informationen den Medien zugespielt und von diesen veröffentlicht. Allerdings gibt es zahlreiche rechtliche Instrumente, mit denen sich Betroffene gegen die Veröffentlichung der Daten bzw. eine entsprechende Berichterstattung wehren können.
Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Aktuell gibt es eine Empörungswelle von Medien und kritischen Blogs zu einem Richtlinienentwurf der EU zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Whistleblowing und Pressefreiheit würden bedroht und die Informationsfreiheit werde eingeschränkt. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Der Richtlinienentwurf wurde inzwischen vom Europäischen Parlament zum Schutz der Medien sogar noch deutlicher gefasst. Demnach dürfe die Meinungsfreiheit, insbesondere was den investigativen Journalismus und den Schutz der journalistischen Quellen anbelangt, keinesfalls eingeschränkt werden. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen solle nicht dazu dienen, Whistleblowing-Aktivitäten einzuschränken und sich daher nicht auf die Fälle erstrecken, in denen ein regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit aufgedeckt werde.
Effektiver Schutz durch das Urheber-, Persönlichkeits-, Datenschutz- und Pressecht
Viel wichtiger als die geplante Richtlinie sind daher die bereits bestehenden rechtlichen Instrumente, mit denen betroffene Unternehmen und Personen gegen eine Veröffentlichung von Dokumenten mit sensiblen Inhalten vorgehen können:
Gerade bei umfangreichen und komplexen Dokumenten kann das Urheberrecht Schutz bieten. So musste z.B. die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln die auf ihren Internetseiten veröffentlichten „Afghanistan Papiere“ mit militärischen Lageberichten löschen, weil hierdurch die Urheberrechte des Verteidigungsministerium verletzt würden. Handelt es sich bei geleakten Dokumenten im Wesentlichen nicht um Texte, sondern um Datenblätter, wie z.B. Listen mit Kundendaten etc., können diese als Datenbank geschützt sein.
Von zentraler Bedeutung ist das Persönlichkeitsrecht. So wurde bereits mehrfach die Veröffentlichung von Geschäftsbriefen und E-Mails verboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die Informationen rechtswidrig beschafft oder erlangt wurden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt ferner davor, dass einzelne Privatpersonen aus einer Masse an Fällen in einer Berichterstattung herausgegriffen und so an den medialen Pranger gestellt werden. Es wäre daher unzulässig, wenn z.B. im Zusammenhang mit den Panama Papers über eine in der Öffentlichkeit völlig unbekannte Person und deren Briefkastenfirma berichtet wird. Daher haben die Medien auch nur über die Briefkastenfirmen von Politikern, Fußballspielern und anderen bekannten Personen berichtet.
Eng mit dem Persönlichkeitsrecht verbunden, ist das Datenschutzrecht. Hierauf können sich allerdings nur Personen und keine Unternehmen berufen. Zudem greift häufig das sog. Medienprivileg, wonach für die Presse nur wenige datenschutzrechtliche Bestimmungen gelten. Werden die Daten jedoch – wie z.B. bei Wikileaks – ohne jede dazugehörige Berichterstattung veröffentlicht, ist fraglich, ob es sich hierbei überhaupt um Presse handelt und sich derartige Plattformen auf das Medienprivileg berufen können.
Schließlich bietet auch das Presserecht einen Schutz vor der Veröffentlichung von Dokumenten mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und insbesondere vor einer damit zusammenhängenden Berichterstattung. Häufig sind die einzelnen Inhalte der veröffentlichten Dokumente eher unwichtig, während die Berichterstattung, in der die Dokumente analysiert und in einen Gesamtkontext gestellt werden, viel schädlicher für die betroffenen Unternehmen ist. Sobald darin Vorwürfe erhoben werden, müssen die Medien zwingend die sog. Grundsätze der Verdachtsberichterstattung einhalten. Hierzu gehört vor allem, dass die Medien ausreichende Beweise für die Vorwürfe haben und nicht ins Blaue hinein spekulieren dürfen. Zudem müssen die Betroffenen vorher zu den konkreten Vorwürfen angehört werden und es darf nicht vorverurteilend berichtet werden.
Repressive Maßnahmen
Wenn Dokumente mit sensiblen Informationen oder eine entsprechende Berichterstattung bereits veröffentlicht wurden, geht es einerseits darum, mit kommunikativen Mitteln die Auswirkungen der Veröffentlichung abzumildern. Anderseits sollte mit juristischen Mitteln versucht werden, gegen die Veröffentlichung selbst vorzugehen um damit die Quelle trockenzulegen.
Präventive Maßnahmen
Noch effektiver ist jedoch ein präventives Vorgehen. Die Medien sind nach dem Presserecht verpflichtet, den Betroffenen vor einer Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, insbesondere wenn sie Vorwürfe erheben wollen. Hier kann durch die Presseabteilung in enger Abstimmung mit Juristen auf die bevorstehende Berichterstattung Einfluss genommen und diese bestenfalls verhindert werden, in dem den Medien die rechtlichen Grenzen aufgezeigt werden.
Auch ohne die geplante Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen gibt es zahlreiche rechtliche Mittel, mit denen man sich gegen die Veröffentlichung von Dokumenten mit sensiblen Inhalten wehren kann. Durch eine frühzeitige Zusammenarbeit mit Juristen können die Kommunikationsabteilungen betroffener Unternehmen im Idealfall sogar eine Veröffentlichung bzw. begleitende Berichterstattung verhindern.