Liefert VW ein seltenes Beispiel für die Krisen-PR-Strategie „Angreifer angreifen“?
Volkswagen wird im Dieselgate-Skandal massiv durch die Deutsche Umwelthilfe angegriffen. Plötzlich wächst die kritische Berichterstattung über die Umweltschützer an. Ist das guter Journalismus? Oder wehrt sich VW geschickt und diskreditiert gezielt einen gefährlichen Angreifer? Lesen Sie hier mehr.
Es ist schon auffällig: Kaum gerät VW im Dieselgate-Skandal durch die Deutsche Umwelthilfe unter Feuer, berichten immer mehr Medien über die dubios anmutenden Geschäftspraktiken der Umwelthilfe. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen. Entweder die Journalisten machen einen exzellenten Job und schauen kritisch hinter die Fassade einer NGO, die einen der größten Konzerne in Deutschland angreift. Oder VW liefert eines der seltenen Beospiele für die Krisen-PR-Strategie „Angreifer angreifen“.
Krisenkommunikatoren steht eine breite Auswahl an Strategien zur Verfügung. Angefangen bei der Entschuldigung über das Ziehen von Konsequenzen bis hin zur Wiedergutmachung bei den Betroffenen. Dass ein Angreifer angegriffen wird, sieht man eher selten. Das liegt daran, dass es für diese Strategie einer ordentlichen Portion Mut bedarf. Schließlich geht ein Unternehmen das Risiko ein, in der Auseinandersetzung mit dem Angreifer zu unterliegen – und doppelten Reputationsschaden zu erleiden. Andererseits ist diese Strategie immer dann sehr wirksam, wenn der Angreifer eine echte Achillesferse besitzt.
Krisen-PR: Angreifer angreifen ist eine wirkungsvolle Strategie bei NGOs mit zweifelhaftem Hintergrund
NGOs leben davon, dass sie das David-Goliath-Spiel spielen: die kleine, gute Umweltorganisation greift den großen, bösen Konzern an. Das bringt Sympathiepunkte beim Publikum, und über die große Publizität in den Medien lässt sich mit wenig Aufwand großer Druck erzeugen. Allerdings muss David aufpassen, dass er der Gute bleibt, denn sonst bricht das David-Goliath-Spiel zusammen. Das hat bereits Greenpeace bei Brentspar bitter zu spüren bekommen als die Regenbogenkrieger die Menge des Ölschlamms in der Ölplattform falsch angaben und plötzlich gehörig an Glaubwürdigkeit einbüßten.
Insofern sind Unternehmen klug beraten, bei einem Angriff durch eine NGO sehr gründlich hinzuschauen, ob der Angreifer tatsächlich eine weiße Weste hat – oder ob ein Gegenangriff auf die Glaubwürdigkeit der Weltenretter möglich ist. Wir wissen nicht, ob VW tatsächlich Informationen zur Umwelthilfe gesammelt und ausgesuchten Journalisten zur Verfügung gestellt hat. Wenn dem so war, haben die Wolfsburger sehr geschickt agiert. Denn sie sind mit diesem Schachzug nirgendwo sichtbar geworden. So vermeiden sie das größte Risiko beim „Angreifer angreifen“, als böser Konzern beim Attackieren der Umwelthilfe missverstanden zu werden.
Umwelthilfe selber ein Fall für die Krisenkommunikation
Die Umwelthilfe ist ein Musterbeispiel für eine Umweltorganisation, die zahlreiche Flanken für Gegenangriffe liefert.
So wird die Organisation im Internet bereits als „Abmahnverein“ bezeichnet. Sie selbst schreibt in Ihrem Jahresbericht 2015: „Hinzu kommen Einnahmen des Verbraucherschutzes, die zum größten Teil aus der Kontrolle von Unternehmen stammen, die Regeln der Energieverbrauchskennzeichnung verstoßen haben.“ Eine Rekordsumme von 2,3 Millionen Euro hat der Verein mit seinen rigiden Maßnahmen des „Verbraucherschutzes“ eingenommen. Immerhin 28 Prozent des Jahresbudgets von 8,3 Millionen Euro. Anwälte der angemahnten Unternehmen berichten davon, dass die Umwelthilfe offensiv Gelder über Abmahnungen eintreibt. Mittlerweile haben sich einzelne Kanzleien sogar auf Abmahnungen dieses Vereins spezialisiert.
Über die Gehälter der Geschäftsführer wird im Jahresbericht – vorsichtshalber? – nichts geschrieben. Bekannt ist aber inzwischen, dass Geschäftsführer Jürgen Resch einige Jahre die Vorzüge des „HON-Circles“ der Lufthansa genoss. Dafür muss man mindestens 600.000 Meilen in 24 Monaten fliegen. So schlecht scheint es sich mit Limousinentransfer und HON-Lounge als geplagter Umweltaktivist auf jeden Fall nicht zu leben…
Schon früher ist die Umwelthilfe mit ihrer Doppelmoral aufgefallen. So berichtet Wikipedia:
Der Verein wurde 2005 im Rahmen ihrer Kampagne zur Einführung von Dieselpartikelfiltern „Kein Diesel ohne Filter“ von der FDP kritisiert, da sie Spenden von Dieselrußfilter-Herstellern angenommen hatte. Am 4. April 2005 räumte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch auf einer DUH-Pressekonferenz in Berlin erst auf ausdrückliche Nachfrage ein, dass die DUH über 100.000 Euro von Partikelfilterherstellern aktiv, durch Akquisition, eingesammelt hatte. Seit 2008 unterstützt die Umwelthilfe in einigen Städten Musterklagen betroffener Bürger, mit deren Hilfe Fahrverbote für Dieselfahrzeuge mit hohem Partikelausstoß durchgesetzt wurden. Seit 2012 kann sie diese Klagen eigenständig führen. Weil nach Auffassung der Deutschen Umwelthilfe auch mangelhafte Austauschkatalysatoren verkauft werden, hatte sie die Einführung des Blauen Engels für diese Katalysatoren initiiert. Sie fordert von Autoteilehändlern und Werkstätten, „ausschließlich Blauer-Engel-Kats oder Originalteile zu verkaufen und einzubauen“.
Von einer anderen Interessenkollision berichtet Ex-Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy in seinem Blog:
Die DUH ist ein eingetragener Verein, eine gemeinnützige Umwelt- und Verbraucherorganisation, die sich aus Spenden und Projektzuschüssen steuergeldbegünstigt finanziert. Neben der Umwelthilfe steht die DUH-Umweltschutz-Service GmbH, ein kommerzielles Unternehmen. Zweifellos legal, dafür haben die DUH-Köpfe schon gesorgt, aber auch legitim? (…)
FOCUS: „Der Automatenhersteller Tomra spielt dabei eine besondere Rolle. Das norwegische Unternehmen ist Marktführer bei den rund 30.000 deutschen Pfandautomaten. Es spendete nicht nur, sondern stand auch auf der Kundenliste der DUH-Umweltschutz-Service GmbH. Die kommerziell tätige Vereinstochter machte in der fraglichen Zeit, zwischen Anfang 2002 und Ende 2003, insgesamt mehr als eineinhalb Millionen Euro Umsatz mit Beratung ‚in den Bereichen Umweltkommunikation, Ökologisierung der Produktion, Entwicklung neuer Produkte und Umweltstrategie‘“. Die DUH muss sich für sehr unangreifbar halten, wenn sie den Mehrweg-Innovationspreis 2006 vergibt und auch gleich mitteilt, wer bezahlt, die Genossenschaft Deutscher Brunnen und das Aktionsforum Glas-Verpackung.
„Protest macht Kasse“ schrieb der FOCUS im letzten Dezember: „Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe nehmen über fragwürdige Spenden und aggressive Abmahnungen mittlerweile Millionen Euro ein.“ (…) Im Verein Umwelthilfe kämen auf jeden der 80 hauptamtlichen Mitarbeiter nur dreieinhalb Mitglieder, hat FOCUS bei der DUH recherchiert und dass sie 2013 ein Viertel der Einnahmen, 1,8 Millionen Euro, mit Abmahnwellen unter dem hehren Wort Verbraucherschutz verdient hat.(…) Nur 77 andere Organisationen, erfahren wir, stehen wie die DUH auf der „Liste der qualifizierten Einrichtungen“. Private Gewinne aus Gesetzesverstößen? Arnold Vaatz, CDU, spricht es aus: „An Verstößen zu verdienen statt sie einzuklagen, das ähnelt der Logik von Schutzgelderpressung.“ Holger Zastrow, FDP setzt hinzu: „Die DUH-Methoden erinnern an jene windigen Winkeladvokaten, die Firmen und Privatpersonen mit Massenabmahnungen überziehen, weil irgendein Halbsatz im Impressum auf der Homepage fehlt. Vor solchen Organisationen warnen uns Verbraucherschützer sonst.“ Peter Ramsauer, CSU, mahnt, dass die DUH den Mittelstand „regelrecht abkassiert, ohne dass es der Umwelt oder den Verbrauchern hilft“.
Es drängt sich der ungute Verdacht auf, dass sich das Wohlwollen der Umwelthilfe käuflich ist: So gehören Toyota und die Windenergiefirma Juwi zu den Spendern. „Die finanzielle Höhe der Förderung durch Toyota beträgt seit rund fünf Jahren einen mittleren bis höheren fünfstelligen Betrag pro Jahr, mit dem zwei Projekte unterstützt werden“, zitiert die Frankfurter Allgemeine den Verein. Juwi wurde mit einem Preis der Umwelthilfe ausgezeichnet, und Toyota wurde öffentlich von den ansonsten so gestrengen Umweltschützern gelobt. Kann das Zufall sein?
Herumdrucksen macht Umwelthilfe und Toyota unnötig verdächtig
Sowohl Umwelthilfe als auch Toyota tun sich unnötig schwer damit, den finanziellen Umfang der Kooperation genau zu beziffern, wodurch das Ganze dubios erscheint. So schreibt die Frankfurter Allgemeine:
Von Toyota werden die Fakten bestätigt. Die Zusammenarbeit bestehe seit „mehr als zehn Jahren“, neben den Umwelttaxis auch beim Umweltmedienpreis. Mit Blick auf die Höhe der finanziellen Unterstützung heißt es nur, Vereinbarungen mit Lieferanten beziehungsweise Geschäftspartnern veröffentliche man grundlegend nicht.
Für VW ist die Ausgangslage auf jeden Fall ideal gewesen, einen Gegenangriff auf die Umwelthilfe zu starten. Die VW-Kommunikatoren werden klug genug sein, das aber niemanden zu verraten – wenn dem so war.
Jörg Forthmann