Germanwings zu langsam in der Krisenkommunikation - Faktenkontor Germanwings zu langsam in der Krisenkommunikation

Germanwings: Hollande in der Krisenkommunikation schneller als Fluglinie

Es gibt Fragen, die sind bei einem Flugzeugabsturz mit 150 Toten nicht vordringlich. Dazu gehört die stockende Krisenkommunikation bei Germanwings und Lufthansa – das ist ein Fall für die interne Nachbereitung. Für uns externe Kommunikatorens ist der heutige Tag allerdings desillusionierend gewesen: Eigentlich war zu erwarten, dass die Krisenkommunikation der Airline genauso professionell abläuft wie die Piloten am Himmel ihren Job machen. Tatsächlich berichtete der französische Ministerpräsident um 11.59 Uhr bereits in Paris davon, dass die Zahl der Toten wohl bei 142 bis 150 liege, während es bei Germanwings noch gar keine Informationen gab. Lesen Sie hier mehr von den Problemen in der Anfangsphase der Krisenkommunikation.

Französischer Präsident und Auswärtiges Amt mit effizienterer Krisenorganisation

germanwings twitter 13_39Um 12.17 melde sich Germanwings: Man habe „keine gesicherten eigenen Informationen“. Der französische Staatspräsident Francois Hollande war da offensichtlich besser unterrichtet. 5 Minuten später gab er bekannt, dass es wohl keine Überlebenden gäbe. Auch die Börsen waren schneller als Germanwings: Die Kurse gingen auf Sinkflug, ohne dass die Fluggesellschaft sich geäußert hatte. Das Auswärtige Amt – offensichtlich vorbildlich krisenerprobt – verkündete um 12.50 Uhr, dass es eine Krisenhotline für Angehörige gibt. Und dann – um 12.52 Uhr, zwei Stunden nach dem Absturz, meldet sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr über Twitter: „Wir wissen noch nicht genau, was mit Flug 4U 9525 geschehen ist.“ Lehre No. 1: Andere haben effizientere Krisenorganisationen; davon lässt sich lernen.

Dass diese Information über Twitter lief, hängt wohl maßgeblich damit zusammen, dass die Germanwings-Webseite zeitweise wegen des starken Interesses nicht mehr aufrufbar war. Lehre No. 2: Die Server sind auf Krisenfälle nicht ausgelegt. Das Informationsinteresse ist groß, wird aber woanders gestillt. Germanwings verzichtet damit auf die Möglichkeit, selber als zuverlässliche Informationsquelle zu dienen. Nun landen die Menschen auf Webseiten, wo bereits erste – mitunter wilde – Spekulationen verbreitet werden. Lehre No. 2: Die zu knappen Serverkapazitäten hätte man vorab bei Krisenübungen entdecken können. Das wurde wohl übersehen.

germanwings webseiteDoch selbst, wenn man auf die Webseite kam, war dort auch gegen 14.00 Uhr nachmittags vom Unglück nichts zu lesen. Bunte Werbebanner priesen die Billigpreise der Airline an: Köln-Berlin ab 19,90 Euro. Die Information über das Unglück kam erst später, und auch erst dann wechselte Germanwings seine Farbwelt in Grau und Schwarz. Lehre No. 3: Die firmeneigenen Webseiten müssen sehr zeitnah aktualisiert werden, weil die farbenfrohe Werbewelt mit Billigofferten sonst arg irritiert. Viele Unternehmen haben dafür so genannte Dark Sites eingerichtet, die in einer Kommunikationskrise ohne großen Aufwand online gestellt werden. Ob es so etwas auch bei Germanwings gab?

Die Krisenkommunikation von Germanwings und Lufthansa kommt erst am Nachmittag optimal ins Laufen. Bei der Pressekonferenz um 15.00 Uhr liefert Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann zuverlässig die wichtigsten Daten zum Unglück und kann berichten, dass die Maschine noch am Vortag durch Lufthansa Technik durchgeführt worden sei.

Standardabläufe in der Krisenkommunikation müssen funktionieren

In einer derartigen Kommunikationskrise können Pressestellen nicht alles richtig machen. Das ist ausgeschlossen. Dafür ist der Zeitdruck zu hoch, und zu viele Beteiligte äußern sich – gewünscht oder ungewünscht – zum Flugzeugabsturz. Das Unternehmen ist Getriebener und hat nur begrenzte Chancen, durch eigene Informationen die Tonalität der Berichterstattung zu beeinflussen. Umso wichtiger ist es dann allerdings, dass die Standard-Krisenabläufe wie geölt funktionieren.

airbusAuch Airbus hält sich arg bedeckt: Die Flugzeugkatastrophe ist zumindest nicht bedeutend genug, um auf der Homepage Stellung zu nehmen und Bedauern auszudrücken. Wir sehen ein lustiges Bild eines Kindes in Fliegermontur und freuen uns über den Vertriebserfolg von Airbus bei RwandAir, über den der Flugzeugbauer als Top-Nachricht berichtet. Wer mitfühlende Worte von Airbus lesen möchte, muss im Pressebereich suchen. Das geht nicht.

Jörg Forthmann

Jörg Forthmann
Posted inKrisen-PR Blog: Mediengau

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4 Comments

  1. Danke für den nüchternen Bericht. Unaufgeregt und sachlich. Dass Airbus bislang so gar nicht reagiert ist wirklich erstaunlich.

    1. Hallo Herr Lautenbacher,
      vielen Dank für Ihren Zuspruch! In der Tat: Aufgeregtheit hilft nicht.
      Beste Grüße nach München
      Jörg Forthmann

  2. Ganz so linear ist es wohl auch nicht:
    Staatsmänner haben einen unbändigen Hang dazu, sich nach vorne zu schieben und Führungskraft zu beweisen.

    Im Unternehmen wird man in so einem Fall vor allem erstmal die unmittelbare Betroffenheit der Katastrophe abarbeiten müssen; sich die nötigen Informationen zu holen, kostet wohl auch Zeit. Schließlich will man seriös bleiben. Freilich der Vorwurf, nicht wenigstens die Basics vorbereitet zu haben, trifft wohl zu.

    M. Sprinzl
    (Kommunikationsberatung, Wien)

    1. Guten Tag,
      ich teile Ihre Sicht, dass Politiker eine andere Motivationslage haben. Bezeichnend ist, dass der französische Regierungsapparat sehr früh mit Fakten sprachfähig war. Richtig ist es ohne Zweifel als betroffenes Unternehmen, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass die wenigen Fakten, die man sagen kann, auch stimmen. Sonst wird Glaubwürdigkeit verschenkt, und Spekulationen erhalten unnötig Rückenwind.
      Beste Grüße aus Hamburg
      Jörg Forthmann

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