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Herrgott, bitte schicke einen Shitstorm!

shitstormSeit einigen Tagen geistert die Meldung durch die Presse, dass es jetzt eine Versicherung gegen Schäden durch Shitstorms gibt. Das könnte ein lohnendes Geschäft für die Assekuranz werden! Shitstorms verursachen fast nie Umsatz- oder Gewinneinbußen. Dieses erstaunliche Ergebnis liefert eine Studie der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation. Für die Studie wurden 28 Unternehmen befragt, die von einem derart schlimmen Shitstorm betroffen waren, dass sogar überregionale Tageszeitungen darüber berichtet haben. Die Liste reicht von Deutsche Bahn über Schlecker bis hin zu Amazon. So ganz folgenlos blieben die Shitstorms allerdings nicht – lesen Sie hier mehr.

Die große Mehrheit der Befragten berichtet davon, dass der Shitstorm keine Schäden angerichtet hat – und wenn, waren sie so gering, dass sie nicht messbar waren. Doch zumindest verbreiten die virtuelle Empörungswelle einen gehörigen Schreck: Nach der Online-Krise überarbeiteten die meisten Firmen ihren Krisenplan, was darauf hindeutet, dass man nicht gut auf Shitstorms vorbereitet war.

In Folge dessen gibt es sogar – bei einer Minderheit – personelle Veränderungen in der Kommunikationsabteilung, oder die Bewältigung von Shitstorms wird sogar zu externen Dienstleistern verlagert. Diese Überreaktion auf einen Shitstorm muss Kommunikatoren alarmieren. Offensichtlich ist die Chefetage mitunter bei Online-Krisen übersensibilisiert und zieht Konsequenzen, obwohl Schäden nicht eingetreten sind.

Andere Kommunikatoren berichten hingegen, dass sie seit dem Shitstorm verstärkt als Berater in der Produktentwicklung hinzugezogen werden.

Die Studie lässt drei Rückschlüsse zu:

1. Hab‘ keine Angst vor Shitstorms – meist bleiben sie folgenlos.

2. Wer seine Chefetage übersensibilisiert, provoziert überzogene Reaktionen – zu seinen eigenen Lasten. Auch Online-Krisen brauchen souveräne Kommunikatoren!

3. Ein Shitstorm stärkt die Position von gut aufgestellten Kommunikationschefs im Haus.

Jörg Forthmann

Jörg Forthmann
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6 Comments

  1. Geschätzter Herr Forthmann,
    Faktenkontor bringt sehr oft guten Content, aber die Schlussfolgerungen, insb. „Hab’ keine Angst vor Shitstorms – meist bleiben sie folgenlos“ stimmen hier leider absolut nicht. Dies ist allerdings (zum Glück) nur eine Folge der desaströsen Methodik der zitierten Studie.
    Dazu möchte ich Ihnen und den Lesern einen Artikel zu wirtschaftlichen Auswirkungen von Shitstorms bei der iBusiness an’s Herz legen, an dem auch ich beteiligt war. Ich fasse dort einige Studien des Marketing Science Journals zu verwandten Phänomenen zusammen. Dabei heraus kamen definitiv fatale Auswirkungen auf Cash-Flows, Aktienkurse und sogar die Effektivität der Instrumente des Marketing-Mix.
    Den Artikel finden Sie hier:
    http://www.ibusiness.de/aktuell/db/209372grollmann.html?pay=1
    Herzliche Grüße aus Düsseldorf,
    Tim Ebner

    1. Sehr geehrter Herr Ebner,
      Sie kritisieren die Studie der MHMK, weil nicht alle Shitstorms im Untersuchungszeitraum untersucht wurden und nur solche Gegenstand der Untersuchung wurden, die von den Medien so bezeichnet wurden. Mit dieser Stichprobe habe ich weniger Probleme, denn es sind knapp 30 Fälle, die untersucht wurden. Das ist schon mal was. Interessanter finde ich Ihre Kritik an der Befragung der betroffenen Kommunikationsverantwortlichen, die möglicherweise den Sachverhalt zu positiv darstellen. Das ist in der Tat eine Gefahr.
      Mein Beitrag war sicherlich ein Stück weit eine Provokation, denn es gibt Shitstorms mit empfindlichen Auswirkungen. Da stimme ich Ihnen zu. Mich stört allerdings das weit verbreite Hyperventilieren, wenn negative Stimmen im Netz kursieren. Oft genug ist es kein Shitstorm, sondern nur ein Shitstürmchen. Nach einer aktuellen Umfrage von News aktuell und Faktenkontor berichten zwei von drei Pressesprecher, dass ihr Unternehmen bereits einen Shitstorm durchlebt hat. Diese Zahl kommt mir verflixt hoch vor. Ich glaube, der Begriff „Shitstorm“ wird weit gedehnt. Wie ist Ihre Erfahrung in dieser Hinsicht?
      Beste Grüße und vielen Dank für Ihre wertvollen Hinweise
      Jörg Forthmann

  2. Sehr geehrter Herr Forthmann,

    vielen Dank für Ihre schnelle Antwort.

    Die wichtigsten, methodischen Fehler der Studie möchte ich gerne kurz ergänzen:
    – Untersucht wurden nur 10 Fälle und nicht 30 (Zu wenige Interviewpartner)
    – Diese 10 Unternehmen haben allesamt richtig reagiert (ausgiebige Kommunikation & Reaktion in klassischen und sozialen Medien)
    – Die Schlussfolgerung „Shitstorms können ignoriert werden“ wird mit ausbleibenden Folgen bei Unternehmen gerechtfertigt, die genau das Gegenteil getan haben

    Wo ich ihnen gerne Recht gebe:
    Zu viele Fälle werden als Shitstorms bezeichnet, besonders in der Regenbogenpresse. Dazu habe ich auch schon etwas geschrieben (siehe http://bit.ly/shitstorm_definition). Das Hyperventilieren stört mich auch, denn mit guter Vorbereitung und ausreichendem Empowerment des Krisenmanagements sowie mehr Offenheit dafür, durch Shitstorms kritisierte Fehler im eigenen Verhalten zu erkennen, würde genau diese Hektik ausbleiben.

    Shitstorms allerdings durch die Bank weg zu verharmlosen halte ich für nicht richtig. Da sind wir uns ja auch einig 🙂

    Daher danke ich Ihnen für den Beitrag und diese gehaltvolle Diskussion.
    Viele Grüße,
    Tim Ebner

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