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Krisen-PR: Lass‘ Dich nicht beim Griff in die Kekskiste erwischen!

Jeder manipuliert – die ARD war so dumm, es auf 89 Seiten aufzuschreiben

Jedes Gespräch ist die Manipulation des anderen – mal mehr, mal weniger. Die ARD hat einen Ratgeber dazu verfassen lassen. Eine „organisierte Manipulation der Massen“. Schauen Sie sich das skandalisierte Papier hier an, und lernen Sie, warum die Sache gnadenlos schiefgehen musste.

Die ARD hat das Berkeley International Framing Institute damit beauftragt, einen Ratgeber (Download [Download nicht gefunden.]) zu schreiben, wie sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten gegen ihre Kritiker durchsetzen können. Das Institut löst diese Aufgabe mit Bravour und liefert auf 89 Seiten detailliert Hinweise. Diskussionen gewinnt man nicht mit Fakten, sondern mit dem Appell an die Moral. Es müssen so genannte Frames gesetzt werden – klug gewählte Eingrenzungen der Diskussion -, um sich argumentativ durchsetzen zu können. Das liest sich dann so:

Wenn Sie Ihre Mitbürger dazu bringen wollen, den Mehrwert der ARD zu begreifen und sich hinter die Idee eines gemeinsamen, freien Rundfunks ARD zu stellen – auch und gerade in Zeiten, in denen Gegner der ARD deren Relevanz in Frage stellen und orchestrierte Kampagnen fahren, die die ARD in starken Bildern und Narrativen abwerten – dann muss Ihre Kommunikation immer in Form von moralischen Argumenten stattfinden. In Form von Argumenten also, die eine moralische Dringlichkeit kommunizieren und eine Antwort auf die Frage geben: Wieso ist die ARD gut – nicht schlecht, wie Ihre Gegner es halten; und wieso ist es wichtig und richtig, die ARD in ihrer Form zu erhalten – nicht überflüssig und falsch, wie Ihre Gegner es propagieren.

Die Kritik ist nun groß. So spricht die angesehene Frankfurter Allgemeine von „semantischer Gehirnwäsche“.

Die ARD hat drei große Fehler mit dem Framing-Manual begangen, von dem Krisenkommunikatoren lernen können:

Falsches Thema. „Setzen, sechs!“

Die Linguistin Elisabeth Wehling, die das Manual für die ARD verfasst hat, gibt den Lesern vor, was sie sagen SOLLEN. Sie stülpt der Anstalt Argumente über. Von außen betrachtet sieht das Ganze so aus als ob sich die ARD mit Argumenten rüsten lässt, die sie nicht hat. Klüger wäre es gewesen, Wehling hätte in ihrem Papier hergeleitet, welche Argumente in der Diskussion gegenüber stehen. Wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk Stärken und Schwächen hat – und dass man seine Stärken selbstbewusster herausstellt. Wehling liefert stattdessen eine Manipulationsanleitung, die missverstanden werden kann – und wird.

Feindbilder führen zu Feinden

Wehling spricht laufend von Gegnern. Sie zeichnet das Bild von „orchestrierten Kampagnen“, gegen die sich die ARD zur Wehr setzen muss. Dabei würdigt sie nicht, dass die ARD über Zwangsbeiträge von nahezu allen Haushalten finanziert wird. Dass sie einen öffentlich-rechtlichen Auftrag hat. Und dass sie sich in der öffentlichen Diskussion genau dazu natürlich kritischen Argumenten stellen muss. Wer derartige Privilegien genießt, muss sich auch in besonderer Weise rechtfertigen. Das Manual macht daraus eine feindliche Auseinandersetzung. Es werden Feindbilder gezeichnet, die dazu berechtigen, sprachlich zu den Waffen zu greifen – oder vielmehr zu List und Tücke im Kampf gegen Unbelehrbare. Am Ende macht die ARD ihre Gebührenzahler zu Gegnern. Wer so etwas zulässt, gehört zu recht gescholten. Deshalb: Dieses Papier hätten die Verantwortlichen unverzüglich zur Überarbeitung an die Verfasserin zurückgegeben müssen. Sie hat schlicht nicht die besondere Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstanden, auf die sich die ARD-Intendanten sonst ach so gerne berufen.

„Nicht zum Weiterreichen“ wird weitergereicht

Die ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab sagt der Welt:

Das Papier ist völlig ungeeignet zur kommentarlosen Weiterleitung.

Das erstaunt nun kolossal. Immerhin ist der Titel des Papiers „Framing-Manual“, also eine Anleitung. Das Wesen von Anleitungen ist es, dass sie alles enthalten, um damit umgehen zu können. Wenn so ein „Manual“ nicht zum Weiterleiten geeignet ist, dann darf es in einem Haus auch nicht zirkulieren. Pfab distanziert sich sogar von Begriffen wie „Kommerzmedien“, „Informationskapitalismus“ und „Profitzensur“, mit denen Privatsender in dem Papier bezeichnet werden. Wenn es aber so klar ist, dass das Framing-Manual ungeeignet ist, warum wird es dann herumgereicht? Hat niemand erkannt, dass er da ein offiziell bestelltes Papier mit völlig falschem Werteverständnis in den Händen hält?

Juristen nennen so etwas Organisationsverschulden. Dafür ist das Topmanagement verantwortlich, selbst wenn es nicht persönlich beteiligt war. Gute Krisenkommunikatoren fragen jetzt, in wessen Berichtslinie der Auftraggeber der Studie stand, und wägen ab, ob eine Entschuldigung, Konsequenzen aus dem Fehler oder sogar personelle Konsequenzen angezeigt sind, um die Krise zu stoppen.

Die Krise gärt nun schon ein paar Tage. Es gab keine Entschuldigung, nur verunglückte Versuche der Richtigstellung. Keine Konsequenzen, und sei es, dass das Papier offiziell beerdigt wird. Schon gar keine persönlichen Konsequenzen. Die Intendanten scheinen sich auf’s Aussitzen verabredet zu haben. Komisch, das passt so gar nicht zum Framing-Manual mit dem postulierten Anspruch an die eigene Moral.

Jörg Forthmann

Jörg Forthmann
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