Finanzaufsicht lockt große Zahl an Whistleblowern mit anonymer Hotline
Mehr als 100 Whistleblower haben im Januar und Februar 2017 bei der anonymen Hotline der Finanzaufsicht ihre Firma verpfiffen. Die Aufseher werden von Denunzianten überrannt. Lesen Sie hier, wie sich Unternehmen gegen Verräter aus den eigenen Reihen schützen können.
Für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFIN) sind Whistleblower eine wertvolle und willkommene Quelle:
„Eine wichtige Erkenntnisquelle für Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen können Hinweise von Personen sein, die über ein besonderes Wissen zu Unternehmensinterna verfügen, beispielsweise weil sie dort angestellt sind oder in einem sonstigen Vertrags- oder Vertrauensverhältnis zu dem beaufsichtigten Unternehmen stehen. Mit der Weitergabe entsprechender Informationen leisten Hinweisgeber („Whistleblower“) einen wertvollen Beitrag dazu, das Fehlverhalten einzelner Personen oder ganzer Unternehmen innerhalb des Finanzsektors aufzudecken und die negativen Folgen einzudämmen oder zu korrigieren.“, schreibt die BaFIN auf ihrer Internetseite für Hinweisgeber.
Das klingt vernünftig – ist nur überhaupt nicht im Sinne von Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern. Denn ihnen wird die hausinterne Aufklärung durch allzu mitteilungswütige Mitarbeiter aus der Hand genommen.
Dass es sich bei der anonymen Hotline der BaFIN um eine ernsthafte Gefahr handelt, zeigen zwei Zahlen. Im zweiten Halbjahr 2016 haben sich 124 Informanten gemeldet. Allein in den ersten beiden Monaten 2017 waren es bereits weitere 100. Hochgerechnet auf das Jahr wird sich die Zahl der Denunzianten also mindestens vervierfachen! Die Finanzaufsicht hatte ihre Hotline übrigens eingerichtet, nachdem das Bundeskartellamt bereits gute Erfahrungen damit gemacht hatte.
Liebt Eure Verräter!
Verräter sind nie beliebt, selbst wenn sie von guten Motiven getrieben werden. Deshalb neigen Manager gerne dazu, Whistleblower zu verteufeln. Doch das hilft nicht. Die anonymen Hotlines sind Ventile, um Frust, Enttäuschung und Verzweiflung abzuladen. Oft genug wurden die Mitarbeiter hausintern nicht ernst genommen, werden von Vorgesetzten mit ihren Anliegen bös ausgebremst oder kennen niemanden im Haus, an den sie sich mit ihren Sorgen und Beobachtungen wenden können. Wer es mit Compliance ernst meint, sollte die Beobachtungen der eigenen Mitarbeiter gezielt auffangen und für das Ausmerzen etwaiger Schwachstellen nutzen – das gilt nicht nur für Finanzdienstleister.
Deshalb installieren immer mehr Firmen hauseigene Whistleblower-Hotlines. Das hat den großen Vorteil, dass hoffentlich ein Großteil der Informanten ihre Beobachtungen nicht bei externen Hotlines abladen. Gerne werden die Hotlines bei externen Rechtsanwälten geschaltet, um den Mitarbeitern die unabhängige und vertrauliche Bearbeitung ihrer Informationen zu signalisieren.
Krisen-PR: hauseigene Whistleblower-Systeme klug aufsetzen!
Bedacht werden sollte bei hauseigenen Hotlines, inwiefern Staatsanwälte auf das gesammelte Wissen von Whistleblowern zugreifen können und ob kompromittierende Datenbestände im Haus aufgehäuft werden, die bei Durchsuchungen von der Justiz komfortabel eingesammelt werden können. Es gibt mittlerweile sogar Whistleblower-Angebote, die über Systeme in der Schweiz laufen, um Strafverfolgern den Zugriff zu erschweren.
Das Realisieren einer hauseigenen Whistleblower-Hotline ist also ein umfangreiches Projekt, bei dem viele Aspekte bedacht werden müssen. Für viele Unternehmen lohnt sich jedoch der Aufwand, denn wenn erst Aufsichtsbehörden und Kartellwächter mit Originalunterlagen aus dem Unternehmen ihre Untersuchungen aufnehmen, ist der Schaden möglicherweise beträchtlich größer als wenn man die Sachverhalte hausintern aufklärt.
Jörg Forthmann