Cryan und Müller: Reputationsprobleme mitschuldig an Rauswürfen
Kommen Sie gelegentlich in Erklärungsnöte, wozu eigentlich Pressearbeit gebraucht wird? Dann sollten Sie Ihrem Chef die heutige Bild-Zeitung auf den Tisch legen. Sehr plakativ zeigt das Blatt „Müllers 4 größte Fehler“, davon zwei Kommunikationsfehler des abgängigen VW-Chefs. Bei John Cryan von der Deutschen Bank war es nichts anders. Ihm wurde unter anderem die weiterhin schlechte Reputation angelastet.
Müller und Cryan sind nicht alleine. Die Beurteilung der Managerleistung ist immer weniger von der tatsächlichen Performance abhängig. Die mediale Perzeption der Leistung entscheidet immer stärker über die Zukunft von Managerkarrieren, so eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Das ist keine gute Nachricht, denn zeitgleich wird das mediale Umfeld herausfordernder: Im „Global Risk Management Survey“ des britischen Versicherers AON rangiert die Gefahr für Ruf und Marke auf Platz 1 im Ranking der größten Risiken für das Unternehmen. AON hatte die Umfrage 2015 in 40 Ländern durchgeführt. Dabei sehen sich 84 Prozent der CEOs in der Verantwortung für die Reputation ihres Hauses, ergab eine Umfrage des „Economist“ aus dem Jahr 2005. So gesehen hat es mit Cryan und Müller die Richtigen im Vorstand getroffen. Das ist allerdings wenig tröstend für die Herren.
Für alle anderen sind die Abgänge ein Warnsignal. Reputation ist eine wesentliche Voraussetzung für geschäftlichen Erfolg. Sie entscheidet mit, ob ein Unternehmen gesellschaftliche Akzeptanz für sein Geschäftsmodell erhält. Nicht umsonst müht sich Mark Zuckerberg derzeit weltweit, die Wogen im Datenskandal zu glätten. Ironischerweise werden ihm die User und Werbetreibenden treu bleiben. Fürchten muss er sich vor regulatorischen Eingriffen in sein Geschäftsmodell, weil sich Politiker weltweit berufen fühlen, sich schützend vor ihre Bürger zu stellen – schließlich ist die mediale Empörung derzeit hoch und muss durch Politik bedient werden. Dieses Phänomen kennt Cryan durch die Bankenregulierung bereits, und Müller ist es nicht gelungen, diese Gefahr für die Automobilbranche – und damit für VW – zu entschärfen.
Exzellente Reputation steigert das jährliche Wachstum um 3,8 Prozentpunkte
Dass Reputation über wirtschaftlichen Erfolg entscheidet, zeigt zudem eine Studie des Faktenkontors. Firmen mit sehr guter Reputation haben ein um 3,8 Prozentpunkte höheres Wachstum als Firmen mit schlechter Reputation. Wenn man sich vor Augen führt, wie hoch die Investitionen in Wachstum in den Betrieben ist, bekommen wir eine Vorstellung davon, wie groß ein Budget für das strategische Reputationsmanagement sein sollte.
Um sich hier durchzusetzen, müssen Pressesprecherinnen und Pressesprecher allerdings in der Frage der strategischen Unternehmensführung auf Augenhöhe mit ihrer Geschäftsführung bzw. mit ihrem Vorstand agieren. Auch da gibt es leider Defizite.
Jörg Forthmann