Küken töten: Wie sich Rewe aus der Affäre zieht - Faktenkontor Küken töten: Wie sich Rewe aus der Affäre zieht - Faktenkontor

Küken töten: Wie sich Rewe aus der Affäre zieht

Handelskette macht sich zum Vorreiter gegen das millionenfache Töten männlicher Küken

Jedes Jahr werden in Deutschland 50 Millionen männliche Küken getötet – weil sich ihre Aufzucht nicht lohnt. Sie kommen in den Schredder oder werden vergast. Das ist ein echtes Reputationsrisiko, auch für den Lebensmittelhandel. Lesen Sie hier, wie Rewe dieses Problem geschickt löst.

In der Geflügelproduktion lohnt sich die Aufzucht von männlichen Küken nicht.  Die Küken legen keine Eier und setzen weniger Brustfleisch an. Die weiblichen Küken werden hingegen als Legehennen aufgezogen. Doch wie wird man die etwa 50 Millionen männlichen Küken los, die pro Jahr in Deutschland schlüpfen? Das hat der Gesetzgeber geregelt: Küken dürfen nicht älter als 72 Stunden sein und die Maschinenleistung eines Schredders muss ausreichen, um eine große Zahl von Tieren unverzüglich zu töten. Beim Vergasen muss die Gaskonzentration mindestens 40 Prozent Kohlendioxid betragen.

Geflügelproduzenten verstoßen also nicht gegen das Gesetz. Doch Umweltschutzorganisationen wie PETA sensibilisieren die Verbraucher. Fotos von Kükenschreddern und geschredderten Tieren verstören die Verbraucher. Daraus entsteht ein profundes Reputationsrisiko.

Krisen-PR: Lebensmittelhandel in unangenehmer Sandwichposition 

Der Handel ist zwar nicht an der Tötung beteiligt, aber er ist der direkte Kontakt zum Verbraucher. Und die Kunden machen es sich einfach. Sie postulieren die Erwartung, dass für ihre Frühstückseier keine Küken getötet werden dürfen, und sind empört, wenn der Handel diesen elementaren Wunsch nicht erfüllt. Schließlich hat der Handel die Einkaufsmacht. Lebensmittelhändler haben damit eine unkomfortable Sandwichposition zwischen Geflügelzüchtern und Verbrauchern.

Rewe hat aus dieser unangenehmen Lage einen sehr klugen Ausweg gefunden. Der Lebensmittelhändler hat sich zum Vorreiter gemacht, das Kükentöten zu beenden. Rewe gründet zusammen mit holländischen Bruttechnik-Experten das Unternehmen Seleggt. Dieses Unternehmen soll eine an der Universität Leipzig entwickelte Technik zur Geschlechterbestimmung im Ei marktreif machen. Fertig ausgebrütet werden nur noch Eier, aus denen Hennen schlüpfen. Die übrigen Eier werden zu einem Zeitpunkt vernichtet, zu dem die Hühnerembryos noch kein Schmerzempfinden haben. Anfang November brachte Rewe die ersten Eier ohne Kükentod in Berlin auf den Markt. Ende 2019 sollen sie in allen Rewe- und Penny-Märkten in Deutschland angeboten werden.

Kluges Erwartungsmanagement verhindert die ungewollte Krise

Das 6er-Pack kostet 10 Cent mehr als Freilandeier. „Unser Ziel ist es, das Kükentöten in Deutschland völlig abzuschaffen“, wird der Seleggt-Geschäftsführer Ludger Brehloh zitiert. Damit setzt Rewe ein starkes Signal. Gleichzeitig ist der Handelsriese klug genug, die Erwartungshaltung richtig zu justieren. Die Technik hat noch Vebesserungsbedarf und ist noch nicht serienreif, teilt Rewe mit. Deshalb werde es noch „einige Jahre“ dauern, bis der Massentod von Küken beendet ist.

Dieses Erwartungsmanagement ist ausgesprochen klug, denn so vermeidet Rewe, von überhöhten Erwartungen überholt zu werden – und trotzdem in die Krise zu geraten. Die Ehrlichkeit, das Problem nicht sofort lösen zu können, wird dem Lebensmittelhändler allerdings gar nicht übel genommen – denn er ist der erste, der das Problem angeht.

Rewe befindet sich als Vorreiter im Tierschutz in guter Gesellschaft. Auch andere Handelsketten lösen ihr Reputationsrisiko durch ihre Vorreiterrolle. So kauft Lidl seit 2014 kein Fleisch mehr ein, das von betäubungslos kastrierten Tieren stammt. Aldi und Rewe können dies zumindest nach eigenen Angaben bei der Mehrheit ihrer Zulieferer zusichern.

Jörg Forthmann

Jörg Forthmann
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