Die Stiftung Warentest ist im Streit mit dem Schokoladenhersteller Ritter Sport vor dem Oberlandesgericht München endgültig gescheitert. Damit dürfen die Verbraucherschützer dem Quadratisch-Praktisch-Gut-Hersteller auch weiterhin nicht vorwerfen, er deklariere den Einsatz von Aromastoffen falsch. Das Urteil ist eine Ohrfeige für die Stiftung Warentest. Ritter Sport will nun prüfen, ob Schadenersatz von Warentest gefordert wird. Spätestens jetzt sollte der Kommunikationschef einschreiten, sonst mutiert das zuckersüße Urteil zur schokosüßen Giftpille. Lesen Sie, warum.
Das Oberlandesgericht hat in seinem Urteil nur geklärt, ob die Stiftung Warentest ihr Testergebnis mit der nötigen Sorgfalt ermittelt hat. Die Verbraucherschützer gaben vor, das Vanillearoma in der Nuss-Schokolade müsse künstlich hergestellt worden sein, weil den Tester kein Weg bekannt war, wie derart große Menge an Aromastoffen natürlich gewonnen werden können. Derartige Mutmaßungen – so das Gericht – seien wegen des „unglaublichen Gewichts“ der Testergebnisse der Stiftung nicht ausreichend, um ein Produkt schlecht zu bewerten.
Das Urteil sagt damit überhaupt nichts darüber aus, ob das Vanillearoma tatsächlich natürlich gewonnen wird – wie Ritter Sport behauptet. Deshalb könnte es jetzt noch eine gefährliche Fortsetzung der juristischen Auseinandersetzung geben, denn die Stiftung Warentest könnte angesichts der großen Schmach ein Hauptsacheverfahren vor Gericht anstrengen, um zu klären, wie das Aroma genau hergestellt wird. Das kann nicht im Interesse von Ritter Sport sein. Fortwährende Spekulationen über Chemie-Aroma in der Schokolade dürfte selbst für eine starke Marke wie Ritter Sport schädlich sein. Deshalb sollte der Schoko-Hersteller jetzt alles tun, um die Schmach der Stiftung Warentest zu begrenzen. Die alte Regel der Krisenkommunikationsprofis gilt auch hier: Wer in die Ecke gedrängt wird, schlägt um sich.
Genauso verhält es sich mit den Schadenersatzforderungen von Ritter Sport. Sie müssten vor Gericht durchgesetzt werden, was ebenfalls langwierig ist. Aus Kommunikationssicht schlimm ist das Drohszenario für die Stiftung: Ritter Sport setzt pro Jahr rund 380 Millionen Euro um. Die Umsatzerlöse der Verbraucherschützer lagen 2013 bei rund 40,5 Millionen Euro. Dazu kamen 5,5 Millionen Euro vom Bund. Allein eine Schadenersatzforderung in Höhe von nur 1 Millionen Euro würde zu deutlicher finanzieller Not der Stiftung führen. Wer die Stiftung so angreift, provoziert heftige Gegenwehr – und das wirksamste Schwert der Verbraucherschützer ist die Öffentlichkeit. Meine Meinung: Es gibt Kriege, die es nicht wert sind, geführt zu werden!
Jörg Forthmann