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Stiftung Warentest: Ritter Sport scheitert beim Schwarze-Peter-Spiel

Stiftung Warentest: Ritter Sport scheitert beim Schwarze-Peter-SpielAusgerechnet Ritter Sport hat von der Stiftung Warentest für seine Nuss-Schokolade die Note „mangelhaft“ kassiert. Auf der Schokolade ist „natürliches Aroma“ deklariert, doch tatsächlich soll das Aroma, das es zwar in der Natur gibt, künstlich hergestellt sein. Ritter Sport reagiert „mit Entsetzen“ – das ist ja schon mal ein guter Anfang. Was dann kommt, ist ein Musterbeispiel dafür, die Kommunikationskrise nicht weit genug durchdacht zu haben: Es läge eine Bestätigung von „einem der weltweit führenden Aromahersteller“ SymRise vor, wonach das gelieferte Aroma „ausschließlich natürlichen Ursprungs ist“. SymRise dementiert umgehend, schließlich komme der Aromastoff Piperonal auch natürlich vor und werde deshalb als „natürliches Aroma“ angeboten – wenngleich offensichtlich industriell für Ritter Sport produziert. Der Kunde sieht dieses Kommunikationschaos, versteht wenig und weiß jetzt vor allem eins: Die Nuss-Schokolade von Ritter Sport schmeckt nur deshalb so gut, weil Aroma aus dem Chemielabor zugemischt wird. Das hätte Ritter Sport verhindern müssen.

Fehler 1: Offensichtlich ist die Kommunikation zwischen Ritter Sport und SymRise nicht abgestimmt gewesen. Der Quadratisch, praktisch, gut-Hersteller wollte den Schwarzen Peter der Stiftung Warentest einfach an seinen Aromalieferanten durchreichen. Nach dem Motto: „Der ist Schuld, ich nicht!“ SymRise ist eine börsennotierte Gesellschaft und setzt pro Jahr rund 1,8 Milliarden Euro um – es war absehbar, dass dieser Zulieferer die Schuld nicht einfach stillschweigend auf sich nimmt. Warum keine gemeinsame Sprachregelung? So reißen sich beide Firmen in den Abgrund.

Fehler 2: Vor einer öffentlichen Reaktion wäre es klug gewesen, die Fakten zu klären. Laut Stiftung Warentest ist Piperonal in der Natur nur in so geringen Mengen vorhanden, dass daraus niemals industriell handelbares Aroma hergestellt werden kann. Das hätte Ritter Sport auch wissen können. Mit diesem Wissen wäre für den Schokohersteller auch klar gewesen, ob der zentrale Vorwurf der Verbraucherschützer – „natürliches Aroma“ hätte nicht deklariert werden dürfen – trägt. Falls nein, könnte Ritter Sport der Stiftung Warentest selbstbewusst widersprechen, gegebenenfalls juristische Schritte einleiten und die weitere Veröffentlichung dieser Behauptung untersagen. Falls die Vorwürfe doch berechtigt sein sollten, ist das Weiterreichen des Schwarzen Peters an den Lieferanten aus Kundensicht völlig unbefriedigend. Von einem Qualitätsproduzenten erwarten Verbraucher, dass er weiß, was in seinen Produkten ist. Wegducken kommt da schlecht an. Besser ist es dann, klar zu sagen, welche weiteren Schritte jetzt folgen werden, um den Sachverhalt aufzuklären, und welche Konsequenzen gezogen werden – flankiert mit dem Hinweis, dass die Stiftung Warentest den Aromastoff selbst nicht kritisiert. Es geht lediglich um die Deklaration auf der Verpackung.

So hat Ritter Sport durch voreilige Kommunikation mehr Porzellan zerschlagen als nötig.

Update: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/nach-mangelhaft-bewertung-solidarische-kunden/9123574-2.html

Weiteres Update: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/einstweilige-verfuegung-ritter-sport-greift-stiftung-warentest-frontal-an/v_detail_tab_print/9144008.html

Weiteres Update: Die Richter am Münchner Landgericht entschieden im wochenlangen Schokoladenstreit zugunsten des Schokoladenherstellers Alfred Ritter. Stiftung Warentest darf künftig nicht mehr behaupten, das Unternehmen verwende chemisch hergestelltes Aroma in seiner Voll-Nuss-Schokolade.

Jörg Forthmann

 

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3 Comments

  1. Hervorragende Analyse! Ich quäle mich gerade durch die verschiedenen Stellungnahmen, Kommentare und Zeitungsartikel und bin dabei hier gelandet. Ihre Schlussfolgerungen teile ich zu huntert Prozent. Unglücklich finde ich auch das fiktive Interview Dr. Hartmut Rohse aus der F&E Abteilung von Ritter Sport. Die Fragen: „Frage 2: Warum wird natürliches Piperonal eingesetzt?“ und „Frage 3: Wie wird Piperonal auf natürliche Weise gewonnen?“ gehen völlig am Thema vorbei, wenn doch nicht natürlich gewonnenes Piperonal geliefert wurde.
    Seit dem herrscht weiter Schweigen im Walde. Ich wüsste doch jetzt zu gerne wie Symrise sein Piperonal herstellt…

  2. Ich sehe den schwarzen Peter im Moment eher bei der Stiftung Warentest. Für deren Behauptung, es sei gar nicht möglich, Piperanol in benötigter Menge z.B. durch Extraktion etc. zu gewinnen, fehlen (noch?) die Fakten.
    Wieviel Piperanol /Tafel wurde denn nachgewiesen? Wurde bei der Analyse eine „smoking gun“ gefunden, die auf chemischen Ursprung hindeutet (z.B. Isotopenverhältnis).?
    Fals nein, war das Vorgehen der Stiftung höchst unprofessionell.

    Insoweit hat nach meinem Empfinden RS den Ball schon recht deutlich ins Feld der Stiftung Warentest zurückgedroschen:

    „Uns liegt eine aktuelle Garantieerklärung seitens der Firma SimRyse AG vor, die bestätigt, dass das an uns gelieferte Aroma, welches in der Voll-Nuss zum Einsatz kommt, ausschließlich natürlichen Ursprungs ist,“, plus rechtliche Schritte.

  3. Die Verantwortung für das Produkt trägt Ritter Sport und diese Verantwortung ist nicht auslagerbar. Eine Garantierklärung, ist ein Stück Papier was gar nichts beweist. Warum legt Ritter Sport nicht transparent dar, wo genau das Aroma herkommt und wie genau es hergestellt wurde.

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