Süße Rache der Investigativjournalisten an Vapiano - Faktenkontor Süße Rache der Investigativjournalisten an Vapiano

Süße Rache der Investigativjournalisten an Vapiano

welt InvestigativteamDie „Welt am Sonntag“ ist manipulierten Arbeitszeitkonten bei Vapiano auf der Spur. Eine Investigativreporterin tingelt durch die Vapiano-Restaurants und spricht Mitarbeiter auf Verfehlungen ihres Arbeitgebers an. Die Pasta-Kette wehrt sich. Lesen Sie hier, warum das schief gegangen ist.

Manche Erzählungen sind so schön (schrecklich), dass man die Matadore selbst sprechen lassen muss:

„In den vergangenen Wochen hat unsere Reporterin viele Portionen Vapiano-Salat und Pasta gegessen und dabei in Filialen der Restaurantkette in unterschiedlichen Städten mit Mitarbeitern gesprochen. Die wahrscheinlich überraschendste Erkenntnis dabei war die: Einige von ihnen kannten ihr Gesicht schon.“, berichtet die Welt online. „Der Vapiano am Potsdamer Platz, Mitte Juni. „Ich weiß, wer du bist. Wir sollen mit dir nicht reden. Dein Foto hängt bei uns im Mitarbeiterraum“, sagt der Mitarbeiter, der gerade Schichtende hat und aus dem Restaurant kommt.“

Was Vapiano hätte ahnen müssen: Investigativjournalisten leben von internen Informanten. Deshalb ist größte Vorsicht geboten, wie intern über eine anstehende Kommunikationskrise kommuniziert wird. Und siehe da, auch die „Welt am Sonntag wurde von einem Insider laufend informiert: „Fünf Tage zuvor haben wir einen Screenshot mehrerer Nachrichten zugespielt bekommen, in dem ein Vapiano-Bezirksmanager seine Restaurantchefs per What’s App-Gruppe warnte, die Reporterin sei unterwegs, um zu den Stempelzeiten der Vapiano-Angestellten zu recherchieren.“

Vapiano Welt„’Bitte aufpassen / wenn Sie da ist keine Auskünfte / an die Zentrale in Bonn verweisen / nicht über Mail / Nur MGMT soll informiert sein und nicht die MA / Bitte wachsam sein‘ steht darin. ‚MGMT‘ steht wohl für ‚Management‘ ‚MA‘ für ‚Mitarbeiter‘. Dann folgen zwei Fotos von der Reporterin, die sich der Versender der Nachricht aus dem Internet gezogen haben muss. Den Screenshot haben wir leicht verfremdet, damit keine Rückschlüsse auf unsere Informanten gezogen werden können.“

Auch Vapiano scheint zu ahnen, dass es einen „Maulwurf“ in den eigenen Reihen gibt. Also ruft man kurzerhand in der Redaktion an. Als ob Journalisten ihre Informanten verraten würden…

„Am folgenden Wochenende, Samstag Mittag, ruft ein ranghoher Manager aus der Konzernzentrale an und erkundigt sich zum Stand der Recherche. Er sagt, er sei besorgt: Vielleicht gebe es jemanden, der Vapiano schaden wolle? Einen ehemaligen Manager vielleicht oder einen ausgestiegenen Franchisenehmer? Er wolle einfach mal vertraulich nachhören, ob die Welt am Sonntag von jemand Bestimmtem auf die Recherchen angesetzt worden sei.“

Vapiano heizt die Kommunikationskrise selbst an

Das Telefonat dreht sich unangenehm, denn die Journalistin nutzt die Gelegenheit, den Vapiano-Manager mit ihren Insider-Informationen zu konfrontrieren:

„Auf die Gegenfrage, warum Vapiano es für nötig halte, seine Mitarbeiter vor Recherchen zu den Stempelzeiten zu warnen, sagt er, es seien lediglich ganz allgemeine Verhaltensregeln an die Mitarbeiter rausgegangen: Dass man bei einer Anfrage immer an die Zentrale verweise – das Übliche eben. Die Welt am Sonntag sei in diesen Anweisungen nicht erwähnt. Von Fotos wisse er nichts. Als wir Vapiano nun noch einmal offiziell dazu befragten, antwortete uns der neue Firmenchef Jochen Halfmann schriftlich: ‚Mir ist das nicht bekannt gewesen. Ich habe recherchiert und kann Ihnen versichern, dass – sollte Ihr Bild oder Ihr Xing-Profil irgendwo gehangen haben – dies definitiv nicht aus der Zentrale veranlasst worden ist.'“

Krisen-PR stolpert über Kleinigkeiten

Oh je, die Antwort macht es noch schlimmer. Die Investigativredakteuerin vermerkt schnippisch: „Das Xing-Profil der Reporterin hing also auch aus? Das war uns neu.“

Das Ergebnis der Recherche ist mittlerweile öffentlich: „In der aktuellen Ausgabe der Welt am Sonntag berichten wir darüber, wie in einigen Vapiano-Filialen offenbar an den Arbeitszeiten der Mitarbeiter manipuliert wird. Hier geht es zum Video auf Welt Online, in dem ehemalige Mitarbeiter darüber sprechen. Im Mai hatten wir das erste Mal über die Firma berichtet.“

Call to action MediengauWeitere Medien haben nachgezogen, unter anderem Spiegel online. Insofern haben die Krisenkommunikatoren von Vapiano die Anfrage richtig eingeordnet: hoch kritisch. Die Reaktion ging jedoch gehörig in die Hose, denn hausinterne Informanten fühlen sich den Journalisten verpflichtet. Sie haben der Redaktion eine „schlimme Geschichte“ versprochen und sehen sich in der Pflicht, wirklich zu liefern. Ungeschickte Hausmitteilungen werden deshalb unverzüglich hinterhergeschickt, nach dem Motto: „Seht her, so schlimm sind die hier! Jetzt gehen sie sogar schon gegen Euch Journalisten vor.“

Jörg Forthmann

Jörg Forthmann
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