Korruptionsbekämpfung mit Kindertricks
Ganz kleine Kinder verdecken mit ihren Händchen die Augen und glauben, dass andere sie nicht mehr sehen können. Auf den gleichen Trick setzt jetzt die FIFA – und zaubert die Korruption im Fußball kurzerhand weg. Lesen Sie hier, wie die FIFA ihre eigene Kommunikationskrise ungeschickt wiederbelebt.
Das hätte eine Sternstunde in der Krisenkommunikation der FIFA sein können. Der Fußball-Weltverband präsentiert seinen aktualisierten Ethikkodex. Was für eine Chance! Die Fußballmanager hätten zeigen können, dass sie die Mißstände im Fußball sehen, sie bekämpfen und ahnden. Dass sauberer Fußball doch wieder eine Chance hat. Tatsächlich hat die FIFA – wie die Nachrichtenagentur Associated Press süffisant vermeldet – „die Korruption offiziell ausgerottet“. In dem 58-seitigen FIFA-Ethikkodex gibt es das Wort „Korruption“ nicht mehr. Es wurde schlicht gestrichen. Dafür gibt es jetzt eine neue Verjährungsregelung: Nach zehn Jahren sind Bestechung und Korruption verjährt. Wie praktisch. Ob das Franz Beckenbauer bei FIFA-internen Ermittlungen rund um die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 noch rettet?
Interner Maulkorb für Kritiker
Ohnehin fühlt sich die FIFA offensichtlich unschuldig verfolgt. Mit dem neuen Ethikkodex müssen Fußballakteure mit Ermittlungsverfahren rechnen, wenn sie sich öffentlich „in diffamierender Weise gegenüber der FIFA und/oder jeder anderen Person, die an den Kodex gebunden ist, im Kontext von FIFA-Veranstaltungen äußert“. Das ist ein hoch praktikabler Maulkorb für verbandsinterne Kritik und eine famose Steilvorlage für die Bestrafung Abtrünniger. Die Ehrlichen im Fußball haben es nun – so muss man vermuten – noch schwerer.
Zumindest erklärt dieser neue praktische Passus in Verbindung mit der Verjährungsfrist, warum der Ethikkodex überhaupt aktualisiert wurde. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich die FIFA-Funktionäre einen Ethikkodex geschnitzt haben, der ihnen gerade recht kommt. Aus Kommunikationssicht ist der neue Kodex fatal. Er zeigt allzu deutlich, dass die FIFA nicht wirklich am Aufräumen im Sport und an Aufklärung interessiert ist. Im Gegenteil.
FIFA befeuert unnötig die Kommunikationskrise
Damit hat die FIFA ein gehöriges Eigentor geschossen. Das ist – zugegebenermaßen – egal, denn der Punktestand in Sachen Glaubwürdigkeit ist für die FIFA-Chefetage ohnehin niederschmetternd. Trotz ständiger Beteuerungen, nun würde der Weltverband wirklich gegen kriminelle Machenschaften im eigenen Haus kämpfen, sehen die Menschen die ungebrochene Fortsetzung von Lug, Betrug und Selbstbereicherung.
In einer derart verfahrenen Situation hilft nur ein vollkommener Neuanfang. Mit neuen Leuten an der Spitze und einem neuen Selbstverständnis. Ich nenne das in der Krisenberatung den „Ausbruch aus Stalingrad“: Man ist von allenSeiten umzingelt, lange hält man nicht mehr durch, und dieser eine Befreiungsversuch muss klappen. Sonst bricht die Front zusammen, und es ist nichts mehr zu retten. Doch zu diesem „Ausbruch aus Stalingrad“ ist die FIFA aus eigener Kraft nicht mehr fähig. Sie liefert Ihren Gegnern stattdessen ständig neue Munition. Pressesprechern rate ich in dieser Situation, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen.
Jörg Forthmann