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Der eBay-Moment der Bahn

Plus für die Reputation: Deutsche Bahn reagiert genial auf viralen „Verspätungsschal“

Marode Infrastruktur, defekte Züge, kritische Finanzlage, Planlosigkeit – und vor allem: Eine immer weiter ausufernde Unpünktlichkeit, die Reisenden die letzten Nerven kostet. Das Reputationskonto der Deutschen Bahn steht (zu Recht) weit im Minus. Und es scheint derzeit schier unmöglich, positiv darauf einzuzahlen.

Scheint unmöglich – ist es aber nicht. Das beweist aktuell das DB-Social-Media-Team mit einer im Hinblick auf die Reputation der Bahn vorbildlichen Reaktion auf einen viralen Post zum Thema Unpünktlichkeit.

Im Mittelpunkt der Geschichte: Der selbstgestrickte Schal einer bayerischen Pendlerin. Über ein Jahr hinweg strickte sie für jede ihrer Bahnfahrten eine Reihe hinzu. In einer von drei unterschiedlichen Farben: Dunkelgrau, wenn ihr Zug höchstens fünf Minuten Verspätung hatte (d.h. „pünktlich“ nach Lesart der Bahn). Rosa für Verspätungen bis zu 30 Minuten. Rot, wenn sich ihre Reise um mehr als 30 Minuten verzögerte. Sie brauchte viel Rot und Rosa.

 

Screenshot Twitter: Der Verspätungsschal (auch: Derbahnschal genannt)
Quelle: Screenshot Twitter

 

Anfang Januar verbreitete ihre Tochter ein Foto des „Verspätungsschals“ bei Twitter – und traf einen Nerv. Der Tweet sammelte 23.000+ Likes (bzw. Herzen) und wurde mehr als 6.000-mal weitergeleitet. Der Schal fand seinen Weg in die Presse, und viele Leute fragten nach, ob der Schal käuflich zu erwerben sei. Deswegen entschied sich die strickende Pendlerin, den Verspätungsschal über eBay zu versteigern – und zwar zugunsten der Bahnhofsmission.

Mit Erfolg: Der Schal ging für satte 7.550,- Euro über den Tisch. Und gekauft hat ihn: (Dramatische Pause…) Die Deutsche Bahn!

Im Hinblick auf Kommunikation und Reputation war das von allen Seiten gut gespielt.

Schon der Schal selbst ist eine tolle Idee: Er setzt ohne viele Worte, und vor allem ohne Ausfälligkeiten, ein visuell schnell begreifbares Statement, das die leidvollen Erfahrungen unzähliger Bahn-Kunden auf den Punkt bringt. Kein Wunder, dass der Tweet in den Sozialen und klassischen Medien so viel Wiederhall fand.

Hätte die Bahn darauf gar nicht reagiert, hätte dies wie ein überhebliches Desinteresse an den eigenen Kunden gewirkt. Jegliche Versuche, das viele Rot und Rosa in sachlichem Ton kleinzureden, wären unglaubwürdig gewesen und hätten vor allem uneinsichtig gewirkt. (Und hätte die Bahn in die Falle der asymmetrischen Krisenkommunikation geführt.)

Durch den Kauf des Schals sagt die Bahn hingegen ohne Worte: Liebe Kunden, wir hören Euch zu. Wir erkennen das Problem an. Es ist zwar zu groß, als dass wir es kurzfristig lösen könnten. Aber bitte seht unsere Bereitschaft, so viel Geld dafür locker zu machen, als Entschuldigung und ersten, ernst gemeinten Schritt zur Wiedergutmachung an.

Ohne sie tatsächlich auszuformulieren, hat die Bahn damit die Grundregeln einer wirksamen öffentlichen Entschuldigung erfüllt. Die Höhe der Summe sehe ich dabei nicht als problematisch an, da das Geld einem anerkannt guten (und Bahn-nahen) Zweck zukommt, also mitnichten verschwendet ist.

Das ist natürlich kein Befreiungsschlag, der die Reputation der Bahn als Ganzes auf einmal wieder herstellt. Aber es ist ein Eingang auf der Haben-Seite des Reputationskontos der Bahn, und die sind im Moment rar gesät und damit besonders wertvoll.

Und als Bonus oben drauf beschert die Ersteigerung dem Bahn-Team auch noch schönen Social-Media-Content:

 

 

Auch nicht zu unterschätzen: Die Bahn erlangt so die Kontrolle über den Schal selbst und verhindert, dass ihn ein Gegner in die Hand bekommt und eventuell in einem ungünstigen und unerwarteten Moment zum Einsatz bringt…

Wie sieht der Kontostand auf dem Reputationskonto Ihres Unternehmens aus?

 

Roland Heintze
www.reputationsprofis.de

 

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Roland Heintze
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