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Weißgewaschen in den Höllenschlund

Reputation oder Rolle? „Whitewashing“-Kontroverse um Schauspieler Ed Skrein

„Hey, Du hast eine große Rolle in einer neuen Big-Budget-Hollywood-Comicverfilmung ergattert!“ Eine Nachricht, über die sich Schauspieler Ed Skrein zunächst sehr freute. Per Twitter teilte er der Welt begeistert mit, dass er demnächst „Ben Daimio“ im neuen „Hellboy“-Film spielen wird.

 

Screenshot Twitter Ed Skrein announces Hellboy-Role Ben Daimio

 

Doch nur wenige seiner Follower waren begeistert – die meisten zeigten sich eher entsetzt und rieten ihm dringend, die Rolle wieder abzugeben. Denn was Skrein nicht klar war: Ben Daimio ist in der Comicvorlage japanischer Abstammung. Skrein hingegen ist ein ausgesprochen weißer Brite. Ihm diese Rolle anzubieten ist damit ein weiteres Beispiel für das sogenannte „Whitewashing“ in Hollywood. Dieses „Weißwaschen“ bezeichnet die Praxis, Figuren die zum Beispiel als Asiaten, Schwarze, Inder oder Indianer angelegt sind, mit weißen Schauspielern zu besetzen.

Eine schwierige Situation für Ed Skrein. Denn obwohl er mit drei Folgen „Game of Thrones“ und einer vielgelobten Schurken-Rolle in „Deadpool“ schon einige prominente Einträge in seiner Filmografie hat, ist er doch noch weit davon entfernt, ein Star zu sein. Eine Position, aus der heraus man sich gut überlegen muss, ob man eine Rolle ablehnt.

Skrein hat überlegt. Und binnen kurzer Frist eine Entscheidung getroffen: Er gab die Rolle mit einer wohlformulierten Begründung wieder ab.

 

Screenshot Twitter Ed Skrein steps down from Hellboy-Role Ben Daimio

 

Eine absolut richtige Entscheidung von Skrein. Die Rolle ungeachtet der berechtigten Kritik trotzdem zu spielen, hätte seiner Reputation und seiner Karriere mehr geschadet als genutzt. Stattdessen wird er jetzt sowohl im Social Web als auch den klassischen Medien für seine Entscheidung gefeiert, und hat damit gleichzeitig an Bekanntheit und Reputation gewonnen. Dass ihm die Abstammung von Ben Daimio bei Vertragsschluss nicht bewusst war, zeugt zwar von schlechter Recherche, ist aber durchaus glaubwürdig (zumal dies aus der getwitterten Zeichnung ob des Zeichenstils nicht eindeutig hervorgeht).

Versagt hat hingegen, zumindest anfänglich, das Reputation Management der Produzenten. Sie sind blindlings in eine Erwartungs-Realitäts-Lücke getappt: Sie haben ignoriert, wie sich Werte und Erwartungen in der Gesellschaft allgemein und unter Kinogängern im Besonderen verändert haben.

Denn Whitewashing ist kein neues Phänomen – der hawaiianisch-chinesische Detektiv Charlie Chan wurde in den 30er Jahren von dem schwedischen (!) Schauspieler Warner Oland (bzw. Verner Ölund) verkörpert. Den chinesischen Helden der TV-Serie „Kung Fu“ spielte der irisch-stämmige David Carradine – der Legende nach anstelle von Bruce Lee, der den Produzenten angeblich „zu asiatisch“ aussah.

Doch während diese Praxis über lange Jahre weitgehend akzeptiert war, hat in diesem Jahrtausend in der (US-)Gesellschaft ein Umdenken stattgefunden. Denn abgesehen von ein paar Superstars gibt es in Hollywood kaum größere Rollen für nicht-weiße Schauspieler. Wird dann auch noch eine der wenigen Figuren, die ursprünglich zum Beispiel Asiaten, Araber oder Perser waren, „auf weiß gedreht“, verschärft dies für nicht-weiße Schauspieler eine schon schwierige Ausgangslage, und das aus rassistischen Motiven. Inzwischen lösen Filme mit „weißgewaschenen“ Rollen immer wieder laute und nicht nur in den Sozialen, sondern auch in den klassischen Medien behandelte Empörung aus.

Häufigste Begründung für „Whitewashing“ ist, dass die Studios davon ausgehen, dass das Publikum einfach keine Filme mit nicht-weißen Schauspielern sehen will. Ein Risiko, dass sie bei Multi-Millionen-Dollar-Projekten nicht eingehen wollen. Allerdings hält diese These bei Betrachtung der Fakten einfach nicht stand: Wie die L.A. Times berichtet, hat eine aktuelle Studie der Creative Artists Agency (CAA) die Zahlen genau unter die Lupe genommen und festgestellt:

 

„[…] at every budget level, a film with a cast that is at least 30% non-white — CAA’s definition of a “truly diverse” film — outperforms a release that is not truly diverse in opening weekend box office. And on the audience side of things, the average opening weekend for a film that has a “truly diverse” audience, pegged at 38% to 70% non-white, is $31 million versus $12 million for films with non-diverse audiences. The numbers suggest a more diverse cast brings a more diverse audience, which brings in more money.”

 

Das ist keine blanke Theorie: Viele Filme mit „weißgewaschenen“ Schlüsselrollen entwickeln sich genau aus diesem Grund zu monumentalen Flops. Zum Beispiel der 140 Millionen Dollar teure Fantasy-Streifen „Gods of Egypt“, in dem die Hauptrollen mit einem Schotten und einem Dänen besetzt wurden. Dieses Jahr ging „Ghost in the Shell“ an den Kinokassen unter, in dem Scarlett Johansson die japanische Hauptfigur darstellt.

Deswegen hätte die öffentliche Entrüstung für die Produzenten von Hellboy nicht überraschend kommen dürfen. Vor allem, da hinter dem Projekt unter anderem das Studio Lionsgate steht – das gleiche, dass auch für den Misserfolg von „Gods of Egypt“ verantwortlich zeichnet.

Auch wenn es zu lange gedauert hat, haben die Produzenten am Ende schließlich doch dazugelernt: Sie haben nach der Aufregung um Skreins Casting ihre Position überdacht und versprochen, die Rolle nun passender zur Vorlage zu besetzen. Warum nicht gleich so?

 

Roland Heintze

 

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Roland Heintze
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