Krisen-PR: Wie die Umweltschützer Vattenfall in die Quere kommen
Vattenfall will seine Braunkohlesparte in Deutschland verkaufen und provoziert damit einen genialen Schachzug von Greenpeace. Wie die schwedische Sektion der Umweltschützer dem Energiekonzern den Verkauf vermiest, lesen Sie hier.
Eigentlich müsste sich Vattenfall über jeden potenziellen Kaufinteressenten für seine Braunkohlesparte freuen. Die Citigroup sucht für den Energiekonzern einen Käufer und hat zur Abgabe von Geboten aufgefordert. Das rief die pfiffigen Aktivisten von Greenpeace auf den Plan, die auch ein Gebot abgaben – allerdings ein vergiftetes. Denn die schwedische Sektion der Umweltschützer beabsichtigt nicht, für die Braunkohlereviere zu zahlen. Vielmehr habe man den „wahren Wert“ ermittelt und erwarte, dass Vattenfall beim Verkauf zwei Milliarden Euro draufzahle. Grund seien die enormen Folgekosten des Braunkohleabbaus.
Wie nicht anders zu erwarten, hat die Citigroup Greenpeace aus den weiteren Verkaufsverhandlungen ausgeschlossen. Vattenfall hält die Schotten dicht und steht für einen Kommentar nicht zur Verfügung. Wer sich lang genug mit den Strategien von Greenpeace beschäftigt, weiß, dass die Regenbogenkämpfer genau das beabsichtigt haben. Denn nun steht die Kulissen für die David-Goliath-Auseinandersetzung: Der böse umweltzerstörende Konzern schließt aus Geldgier die guten Umweltschützer aus, die die schlimmen Schäden durch den Braunkohleabbau wieder heilen wollen.
Krisenkommunikation: Rausschmiss ist gelungene Provokation von Greenpeace
Diese Position nutzt Greenpeace weidlich aus und wirft sich mit der Forderung in die Medien, dass nun andere Bieter auch ein ökologisch und sozial schlüssiges Konzept vorlegen müssten. Denn sonst würden sich Vattenfall und der schwedische Staat als Miteigentümer klammheimlich aus der Verantwortung für eine gigantische Umweltsauerei hinausstehlen. Vattenfall hat ohnehin in dieser Auseinandersetzung keinen Blumentopf zu gewinnen. Das abgelehnte Greenpeace-Angebot wird jedoch enorme finanzielle Auswirkungen für den Energiekonzern haben. Denn: Wer bürdet sich freiwillig mit dem Kauf der Braunkohlesparte Ärger mit Greenpeace auf? Greenpeace heizt die Gefahr an, dass sich die Anzahl potenzieller Käufer unglücklich verringert und der verbleibende Rest einen gehörigen Risikozuschlag für die Reputationsrisiken einkalkuliert.
Für Greenpeace ist dieser Schachzug genial: Er hat nichts gekostet, wird Vattenfall hingegen voraussichtlich eine gehörige Millionensumme kosten. Obendrein sind die Feindbilder bereits klar skizziert. Vattenfall und der schwedische Staat stehlen sich aus Geldgier aus der Verantwortung. Und der neue Besitzer ist genauso gewissenlos, weil er schlicht auf das Ausbeuten der Braunkohle setzt und die Umweltschutz-Anforderungen von Greenpeace nie und nimmer erfüllen wird – weil sich dann der Deal nicht rechnet. Dabei hätten die Aktivisten doch alles zum Guten gewendet – wenn man sie bloß gelassen hätte.
Doch was hätte Vattenfall tun können? Greenpeace plant seine Kampagnen sorgfältig. Krisenkommunikatoren können getrost davon ausgehen, dass sich die Aktivisten auf die zu erwartenden Szenarien sorgsam eingestellt haben. Zumeist hat Greenpeace die Kampagne so angelegt, dass das betroffene Unternehmen bewusst in eine Richtung getrieben wird. Hier: das Rauswerfen der Ökos aus dem Bieterprozess. Vattenfall hätte Greenpeace ernst nehmen müssen. Von Greenpeace ein belastbares Konzept fordern sollen. Mit Garantien dafür, dass die Regenbogenkämpfer tatsächlich die Kostenrisiken für die versprochene Renaturierung tragen können. Das wäre eine vergiftete Gegeneinladung gewesen. Denn Greenpeace kann so eine Zusage nicht geben. Die Aktivisten sind groß im Umweltkampf, aber klein in ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit.
Jörg Forthmann
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