Prominente Marken der Textilindustrie geraten wegen der Produktion in Billiglohnländern immer schneller in die Medien: In Kambodscha werden drei Textilarbeiter von der Militärpolizei bei Demonstrationen für höhere Löhne erschossen – und sofort nennen Journalisten diverse Markenunternehmen als Auftraggeber in den Fabriken. T-Shirts von H&M, Jeans von Levi’s, Sporthosen von Puma oder Adidas entstehen unter den Händen einer Heerschar kambodschanischer Näherinnen. Gap, Zara und Nike finden sich in der heutigen Berichterstattung auch gleich wieder. Diese Marken geraten immer mehr in einen medialen Dramatisierungsstrudel.
Dabei gilt Kambodscha als Musterknabe unter den Billiglohnländern. „Kambodscha hat sich selbst für „Sweatshop-frei“ erklärt. Die Arbeiter, überwiegend junge Frauen, haben ein Mindestmaß an Rechten, es gibt Sicherheitsstandards. Im Vergleich zu anderen Ländern ist Kambodschas Textilindustrie der buchstäbliche Einäugige unter den Blinden. Auch hier geht es nicht rosig zu für die fast 350.000 Arbeiter – aber immer noch besser als anderswo“, berichtet Die Welt noch vor drei Wochen.
Das wird den Top-Marken der Textilwirtschaft allerdings nicht helfen, denn Negativ-Geschichten sind schnell geschrieben. Es gibt eine unheilige Allianz zwischen Modemarken und einer Regierung, die seit 28 Jahren an der Macht ist und der immer häufiger Demokratiedefizite vorgeworfen werden: Die Textilhändler beauftragen für Abermillionen und die Regierung sorgt für halbwegs anständige Arbeitsbedingungen. So ist Kambodscha zwar teuer als Bangladesch, doch das dürfte eher eine Rundungsdifferenz sein, denn die Löhne für Textilarbeiter machen – nur – 1 Prozent der Kosten im Laden aus, berechnete der WDR.
Die Argumente, ob die Textilproduktion in Kambodscha sozial zu rechtfertigen ist, sind allerdings aktuell nicht der entscheidende Punkt. Wichtiger ist die Dynamik, die die Berichterstattung bei Problemen in Billiglohnländern nimmt. Die Topmarken werden sofort genannt. In Bangladesch dauerte es noch einige Zeit, bis die Auftraggeber gefunden waren. Das passierte heute mit den ersten Berichten aus Asien. Die Modemarken werden bei den nächsten Vorfällen folgende Entwicklung erleben:
- Sie werden nicht nur als Auftraggeber genannt, sondern sofort mit Vorwürfen konfrontiert.
- Es wird gar nicht mehr abgewogen, welche Schuld die Modemarken trifft, sondern die Schuld wird unmittelbar als feststehender Fakt berichtet.
Oft genug gesagt werden Vorwürfe irgendwann wahr – und Puma, Nike & Co. sind auf dem besten Weg dorthin. Kreditinstitute kennen diese Dynamik schon und finden sich heute in einer quasi ausweglosen Negativwahrnehmung wieder.
Die Sprachlosigkeit der Modemarken hilft in dieser Situation überhaupt nicht weiter. Die Meinungsbildung schreitet voran, aber die betroffenen Marken beteiligen sich nicht. Jetzt sollte dringend eine Brancheninitiative starten und aufzeigen, wie die Produktionsbedingungen schrittweise verbessert werden und wie wichtig die Aufträge für die Menschen vor Ort sind. Eine Brancheninitiative hat den Vorteil, dass die Markenhersteller selbst nicht in der Öffentlichkeit auftreten.
Jörg Forthmann
In der heutigen Zeit wird es wahrscheinlich immer öfters zu solchen Situationen kommen. Das liegt vor allem daran das die westlichen Länder wenig bezahlen wollen aber teuer verkaufen wollen. Das ist ein Kreislauf unter dem immer die Armen und Schwachen leiden werden. Nicht nut in der Textil Industrie ist das der Fall