Die Datenbrille Google Glass ist noch gar nicht richtig verfügbar für die Kunden, schon kämpft der US-Konzern mit gehörigem Gegenwind. In mehreren US-Bundesstaaten seien Gesetze in Vorbereitung, die Google Glass beim Autofahren verbieten sollen, berichtet Reuters. Immer mehr Bars und Restaurant, Geschäfte und Klubs verbieten Google Glass. Die Datenbrille droht in eine Antipathie-Welle zu geraten. Google hat deshalb einen Knigge für Google Glass-Nutzer veröffentlicht. Helfen wird das nicht. Die Datenbrille hat eine Kamera mit eingebautem Mikrophon. Über das Smartphone ist sie mit dem Internet verbunden und zeigt Daten auf einem Bildschirm am rechten Augenrand an. Das ist unheimlich, denn niemand weiß, was gerade mit der Datenbrille gemacht wird. Lädt der Brillenträger ein heimlich gedrehtes Video hoch? Sieht er Informationen zu seinem Gesprächspartner, die er normalerweise nicht hätte? Das führt zu Ablehnung. Kaum jemand weiß wirklich, was Google Glass kann und so verbreitet sich das Big Brother-Gefühl im Kleinen. Wie viel seines unglaublichen Wissens schafft Google wirklich auf die Brillengläser?
Der Google-Knigge operiert an der Oberfläche: Wer andere filmt, soll vorher um Zustimmung bitten. Wenn gebeten wird, Smartphones auszuschalten, soll auch die Datenbrille abgelegt werden. Und die Nutzer sollen berücksichtigen, dass das ständige Linsen in das Datenfeld andere irritiert. Damit reagiert Google auf das Verbot seiner Brillen in Lokalen und Geschäften – und springt zu kurz.
Die Verbote sind nur der Vorbote der drohenden Antipathie, denn der Grund für die drohende gesellschaftliche Ablehnung liegt tiefer: die Unsicherheit über die wirklichen Anwendungsmöglichkeiten von Google Glass. Das ist ein großer Unterschied zur anfänglichen Ablehnung von Handys in der Gesellschaft, deren Nutzung anfangs auch in Restaurants und Geschäften verboten war. Auch sie wurden als Belästigung empfunden, aber sie waren nicht unheimlich. Letztlich waren es Telefone.
Google wäre jetzt gut beraten, von der Handy-Markteinführung zu lernen und seine Datenbrille zu entmystifizieren. Es ist ein nützliches Smartphone-Zubehör, mehr nicht. Letztlich kann es nicht mehr als jedes Smartphone ohnehin schon. Wer es mag, hat halt ständig einen Blick auf Fotos, Videos und Internet – und das war’s. Google schürt einen Hype um Google Glass, um den anstehenden Abverkauf anzukurbeln. Und steigert damit unnötig die gesellschaftliche Ablehnung. Hier hilft nur ein konsequenter Schwenk in der Kommunikation.
Berichte zum Knigge von Google: Süddeutsche Zeitung, Huffington Post und Stern.de.
Jörg Forthmann