Whistleblower sollen die Dieselgate-Berichterstattung befeuern
Kaum ist der VW-Skandal entbrannt, kriechen die Denunzianten aus den Löchern und feuern die PR-Krise mit neuen Informationen an: ehemalige und bestehende Mitarbeiter, Wettbewerber, Lieferanten, Rechtsanwälte und Staatsanwaltschaft. Das Handelsblatt will sich diesen Effekt zunutze machen und bläst zum Halali auf Volkswagen. Lesen Sie hier, was die VW-Krisenkommunikatoren zu erwarten haben.
„Wie konnte es überhaupt zum größten Industrieskandal der Nachkriegsgeschichte kommen? Das Handelsblatt erzählt wird die Geschichte eines Betruges, seiner Tarnung und Vertuschung. Doch kennen wir schon die ganze Wahrheit? Wohl kaum! Deshalb schreiben wir hier die Geschichte gemeinsam mit unseren Leserinnen und Lesern entlang der Ereignisse fort.“
Mit diesen markigen Worten lädt das Handelsblatt online seine Leser ein, die Redaktion mit verräterischen Informationen zu füttern. Wobei die Redaktion ihre Absicht sprachlich verklärt: Welcher Leser kann schon was zum VW-Skandal beitragen? Die Journalisten hätten ehrlicher schreiben sollen, dass sie systematisch Denunzianten suchen. Das Ergebnis ist ein Blog, in dem tagesaktuell die Skandalgeschichte fortgeschrieben wird. Die Handelsblatt-Redaktion verspricht ihren Lesern täglich neue Erkenntnisse zur VW-Krise – und wird wohl auch liefern.
Das letzte Mal fahndete das Handelsblatt derart intensiv nach Informanten beim Debeka-Skandal. Damals war das Handelsblatt führend in der Berichterstattung – und will es jetzt offensichtlich bei VW auch wieder sein. Das verheißt für die Wolfsburger Kommunikatoren nichts Gutes, denn Chefredakteur Gabor Steingart verspricht seinen Lesern bereits journalistische Berichterstattung, die er noch gar nicht hat.
So entsteht ein kollektiv verfasstes Aufklärungswerk neuen Typs. Der VW-Aufsichtsrat freut sich jetzt schon auf unser aller Mithilfe. Und falls er sich nicht freut, ändert das auch nichts: Es gibt für diese Affäre keine Abschalt-Software.
So frohlockte Steingart am letzten Freitag im „Morning Briefing“. Entsprechend hoch wird der Druck auf der Redaktion lasten. Steingart ist nicht bekannt dafür, mangelnde Zielerreichung zu tolerieren.
Hoffnung macht ihm womöglich die Erfahrung mit dem Whistleblower-Briefkasten beim Debeka-Skandal. Damals sollen – so wird gemunkelt – mehrere hundert Hinweise eingegangen sein.
Jörg Forthmann
Update: Heute am 13. Oktober meldet der Handelsblatt-Herausgeber in seinem Morning-Briefing: „Damit unsere Leserinnen und Leser in dieser Angelegenheit nicht den Überblick verlieren, haben wir – ausgehend von unserer Titelgeschichte „Tatort Volkswagen“ – ein digitales Multimedia-Special gestartet. Dort schreibt sich die Geschichte – auch dank zahlreicher Hinweise von Insidern – wie von alleine fort.“