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Krisen-PR: Lufthansa taumelt durch die Urlaubssaison

Der Lufthansa-Vorstand hat sich heute bei seinen guten Kunden per Mail gemeldet: Man entschuldigt sich für die derzeitigen Probleme im Flugverkehr. Man bemühe sich nach Kräften. Die Situation werde sich erst im Winter „stabilisieren“. Kurzum: Eine Besserung ist nicht in Sicht, und die anstehende Urlaubssaison wird schrecklich. Sehen Sie hier, wie das „Flugchaos“ (Bild-Zeitung) schon jetzt die Reputation von Lufthansa und Eurowings schädigt.

Die E-Mail des Lufthansa-Vorstands im Wortlauf (Fettungen vom Autor):

Hinter uns im Luftverkehr liegen zwei harte Jahre des gefühlten und des tatsächlichen Groundings. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lufthansa Group haben sich nichts sehnlicher gewünscht, als Sie, unsere Gäste, endlich wieder an Bord unserer mehr als 750 Flugzeuge begrüßen zu dürfen.

Doch wenn in diesen Tagen auf der Nordhalbkugel der Sommer beginnt und die globalen Reisebeschränkungen nahezu vollständig entfallen, kommen alle Beteiligten im weltweiten Luftverkehr leider fast täglich an die Grenzen der aktuell verfügbaren Ressourcen. Es bleibt Ihnen nicht verborgen, dass das Hochfahren des komplexen Luftverkehrssystems von fast Null auf derzeit wieder fast 90 Prozent nicht in der Verlässlichkeit, Robustheit und Pünktlichkeit gelingt, die wir Ihnen so gerne wieder bieten möchten.

Wir können uns dafür bei Ihnen nur entschuldigen und wollen dabei auch ganz ehrlich sein: In den nächsten Wochen mit weiter steigenden Passagierzahlen, ob Urlaub oder Geschäftsreisen, wird sich die Situation kurzfristig kaum verbessern. Zu viele Mitarbeitende und Ressourcen fehlen noch, nicht nur bei unseren Partnern, sondern auch in einigen Bereichen bei uns. Nahezu alle Unternehmen unserer Branche rekrutieren derzeit neue Kolleginnen und Kollegen, allein in Europa sind mehrere Tausend Neueinstellungen geplant. Dieser Kapazitätsaufbau wird sich allerdings erst im kommenden Winter stabilisierend auswirken können.

Hinzu kommt, dass der anhaltende Krieg in der Ukraine den nutzbaren Luftraum in Europa stark einschränkt. Das führt in der Folge zu massiven Engpässen am Himmel und damit leider zu weiteren Flugverspätungen.

Im Sommer 2023 erwarten wir dann rund um den Globus nicht nur ein deutlich verlässlicheres Luftverkehrssystem, sondern werden Sie auch wieder an Bord unserer Airbus A380 begrüßen dürfen. Wir haben heute entschieden, dieses nach wie vor sehr beliebte Flugzeug ab Sommer 2023 bei Lufthansa wieder in Betrieb zu nehmen. Darüber hinaus verstärken und modernisieren wir unsere Flotten allein in den kommenden drei Jahren mit rund 50 neuen Langstreckenflugzeugen vom Typ Airbus A350, Boeing 787 und Boeing 777-9 sowie über 60 neuen Airbus A320/321.

Wir versprechen Ihnen, dass die über 100.000 Mitarbeitenden der Lufthansa Group alles Menschenmögliche leisten, um Ihnen auch in den nächsten Wochen unter den aktuell schwierigen Umständen das bestmögliche Reiseerlebnis zu bieten. All dies mit einem Einsatz, der sicher nicht nur uns im Vorstand höchsten Respekt abverlangt.

Mit diesen offenen Zeilen ist daher auch im Namen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wunsch verbunden, dass Sie sich nach der von uns so sehnlich erwarteten Rückkehr bei uns an Bord herzlich willkommen fühlen. Wir alle danken Ihnen für Ihre Loyalität und – falls Ihre Reise nicht wie erwartet oder geplant verlaufen sollte – für Ihr Verständnis.

Wir setzen alles daran, Ihnen so schnell es geht, wieder die Qualität, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu bieten, die Sie von Ihren Airlines der Lufthansa Gruppe zu Recht erwarten.

Bleiben Sie uns gewogen.

Diese E-Mail ist spannend: Sie beginnt damit, dass die Lufthansa es echt schwer hat. Kundenorientierung hätte bedeutet, den geschundenen Reisenden zu thematisieren. Später wird dann indirekt erwartet, dass die Reisenden Respekt vor der Leistung der Lufthanseaten haben: „All dies mit einem Einsatz, der sicher nicht nur uns im Vorstand höchsten Respekt abverlangt.“ Das ist nicht wirklich klug; es hätte gereicht, wenn der Lufthansa-Vorstand seiner Belegschaft Respekt zollt – zumal die erlebte Realität beim Reisen mit Lufthansa und Eurowings nicht immer das Gefühl vermittelt, dass das „Menschenmögliche“ getan wird.

Unabhängig von dem Ungeschick beim Verfassen dieser E-Mail hat das Flugchaos enorme Auswirkungen auf die Reputation von Lufthansa und Eurowings: Die gesamte Berichterstattung wird von diesem Problem dominiert. Beide Fluggesellschaften wurden von den apokalyptischen drei Reitern der Krisenkommunikation heimgesucht: viele negative Erwähnungen mit hoher Emotionalität. In dieser Situation ist mit Rationalität kaum mehr etwas zu gewinnen.

Jetzt kommt es darauf an, dass die Reisenden spüren: Lufthana und Eurowings kämpfen mit aller Kraft, das Bestmögliche für ihre Passagiere zu erreichen. Dieser Kampf muss sichtbar und spürbar sein. Ohne diesen Eindruck wird sich das kommunikative Umfeld für Lufthansa & Co. weiter verschärfen, die Reputation wird noch weiter einbrechen – und all das wird in der Bilanz der Unternehmen deutlich sichtbar sein.

Jörg Forthmann

 

 

Jörg Forthmann
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