Ein Gastbeitrag von Christian Achilles, Leiter Kommunikation und Medien beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V., mit einer Entgegnung von FAZ-Online-Chef Mathias Müller von Blumencron
Die FAZ durchleuchtet mit Hilfe des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECT!V das Geschäftsmodell der Sparkassen. Wie der verantwortliche Kommunikationschef über diesen neuen Rechercheansatz denkt, lesen Sie hier.
Die Digitalisierung hat Journalismus und Medienarbeit voll erfasst. Der damit verbundene Druck um Wirtschaftlichkeit, Reichweite und Aufmerksamkeit bringt auf der Medienseite auch ungewöhnliche und diskussionswürdige Arbeits- und Verhaltensweisen hervor. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation von CORRECT!V mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
CORRECT!V bezeichnet sich selbst als gemeinnütziges Recherchezentrum, das mit Hilfe von Bürgern erstellte Recherchen allen Medienhäusern in Deutschland zugänglich machen will. Finanziert wird diese Form durch Zuwendungen vor allem einer Stiftung, aber auch durch Spenden, u.a. eine der Deutschen Bank.
Quelle: https://crowdnewsroom.org/
Gegenstand der Kooperation von CORRECT!V mit der FAZ ist der gemeinsame Wunsch, mit Hilfe von Leser-Reportern das Geschäftsmodell von Sparkassen kritisch zu durchleuchten. Bürger sollen ihre Erlebnisse und Geschäftszahlen von Sparkassen auf einer Rechercheseite von CORRECT!V hochladen. Ausgangspunkt sind tendenziöse und nicht begründete Thesen, u.a. dass angeblich „Kommunen für Verluste der Sparkassen geradestehen (müssen)“, die Sparkassen „schlechte Geschäfte (machen)“, ein „ineffizientes System (haben)“ oder „auf fremdes Kapital setzen“. Insbesondere beim letzten Punkt stellt sich schon die Frage, ob die Initiatitoren das Geschäftsmodell von Kreditinstituten im Allgemeinen und die Struktur der Sparkassen im Besonderen überhaupt verstanden haben.
Die FAZ begründet ihre Mitwirkung an diesem ungewöhnlichen Kooperationsprojekt in einem Video des für Sparkassen zuständigen Wirtschaftsredakteurs damit, dass „(ich)
sehr oft in Pressekonferenzen mit Sparkassenverbands-Präsidenten (sitze) und den Eindruck (habe), dass ich an Grenzen der Berichterstattung stoße. … Wir arbeiten jetzt mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECT!V zusammen. Die haben einen ganz tollen CrowdNewsroom eingeführt, in den man Daten eingeben kann. …Wir können das nicht schaffen, es gibt über 400 Sparkassen. Aber gemeinsam können wir es schaffen, wenn jeder für seine Sparkasse dort die Daten eingibt, die uns interessieren.“ Bürger sollen daraufhin herausfinden, „welche Sparkasse …wie viele faule Kredite hat“ oder „welche … am gefährdetsten (ist) und …demnächst vielleicht umkippen (könnte)“.
Wir halten dieses Vorgehen nicht für einen seriösen Journalismus:
- Ausschließlich Sparkassen wurden für diese „neue Form des Journalismus“ ausgesucht. Das Objekt der auf viele Monate angelegten Recherche stand also fest, bevor irgendwelche Fakten vorlagen. Die verantwortlichen Redakteure der FAZ geben dabei offen zu, dass sie gegenüber öffentlich-rechtlichen Sparkassen ordnungspolitische Bedenken haben.
- Es werden nicht journalistisch ausgebildete Bürger für schwierige Wirtschafts- und Zahlenrecherchen eingesetzt. Es stellt sich die Frage, wo der Mehrwert einer FAZ liegt, wenn sie dies nicht mehr selbst leisten kann.
- Vor einer jeden Recherche steht die negative Grundthese. Die mit der Recherche betrauten Bürger gehen damit nicht mehr unvoreingenommen an die Aufgabe heran.
Dieses Vorgehen enthält Elemente, die wir sonst nur von Kampagnen, nicht aber von seriösem Journalismus kennen. Schon jetzt sind die negativen Ergebnisse in der gehäuften, fehlerhaften Berichterstattung der FAZ über Sparkassen sichtbar.
Die deutschen Sparkassen reagieren auf diese im journalistischen Gewand vorgetragenen Angriffe mit einer Balance: Wir beantworten – auch proaktiv – alle beantwortbaren Fragen. Dazu haben wir der FAZ u.a. angeboten, mit 12 Pressesprechern aus allen Regionen Deutschlands in deren Redaktion in Frankfurt alle vermeintlich oder tatsächlich dort offenen Fragen zu beantworten. Die FAZ setzt allerdings lieber auf Leserreporter. Und wir stellen – auch pointiert – alle falschen Behauptungen richtig.
Wir sind der Auffassung: Das Vorgehen von CORRECT!V und FAZ wirft grundsätzliche Fragen für die Medienlandschaft in Deutschland auf. Wie sieht eine Medienrepublik in Zukunft aus, wenn nicht einmal mehr die FAZ aus eigener Kraft und mit Kompetenz ihrem journalistischen Auftrag nachgehen kann? Und wie plural ist die Medienlandschaft noch, wenn sich immer mehr Medien in ihren Berichten aus einem einheitlichen, nicht qualitätsgesicherten Recherchepool bedienen? Qualitätsmedien schaffen sich auf diese Weise zu Gunsten von Social Media ab. Schade!
Was die „Frankfurter Allgemeine“ dazu sagt
Wir haben mit Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur für den Bereich „Digitale Medien“ bei der Frankfurter Allgemeinen, zu seiner Sicht auf die Auseinandersetzung gesprochen. Hierzu in Kürze:
„Herr Achilles macht sich Sorgen um die Zukunft des Journalismus. Ich kann ihn beruhigen: Die Mitarbeit von Lesern bei Recherchen mag in Deutschland neu sein, wird aber in der angelsächsischen Welt schon länger mit großem Gewinn praktiziert. Selbst die renommierte Pulitzer Stiftung, die den Pulitzer-Preis vergibt, hat schon 2011 ihre Richtlinien so geändert, dass sie die Mitarbeit von Lesern bei bestimmten Recherchen für sinnvoll ansieht.
Was tun wir denn eigentlich? Wir bitten Leser, beim Sammeln von Zahlen zu helfen. Daraus entsteht eine ansehnliche und öffentliche Datenbank der Transparenz, die es so für Sparkassen noch nicht gibt. Die Auswertung dieses Bestands nehmen wir vor, sie steht aber selbstverständlich auch jedem anderen Medium offen. Was für ein Problem hat nun Herr Achilles mit der Mitarbeit von Lesern? Hält er die Leser der FAZ, unter denen sich auch viele Kunden und Mitarbeiter der Sparkassen befinden, für zu dumm, um bei einer Datenrecherche zu helfen? Entscheidend ist doch, dass alle Daten überprüft werden und wir unsere Auswertung nicht auf einen ungeprüften oder flüchtig zusammengestellten Datenbestand stützen werden.
Vielleicht sollte Herr Achilles einfach mal abwarten, was am Ende bei der Auswertung herauskommt, anstatt schon die Recherche zu attackieren. Wir nehmen erstmal zur Kenntnis, dass schon die Datensammlung den Sparkassen nicht genehm ist.“
Wie viel mehr verdient denn der Chef der FAZ als die Kanzlerin? Waaas? Nur doppelt so viel? Liegt es daran, dass die FAZ Verluste macht und die Sparkasse Köln Gewinn?