Was haben der Buchhandel und moderne Pressearbeit gemeinsam? Beide überschätzen die Auswirkungen des Digitalisierung auf ihr Kerngeschäft. Und beide laufen Gefahr, sich allzu vorschnell auf neue Technologien zu stürzen – und damit ihre Zielgruppe aus den Augen zu verlieren.
Der Buchhandel atmet auf: Das Hanseatische Oberlandesgericht hat in dieser Woche entschieden, dass E-Books nicht weiterverkauft werden dürfen. Zu gewissen Teilen ist die Erleichterung des Handels nachvollziehbar. Manche Reaktionen lassen allerdings vermuten, dass in den digitalen Büchern die (alleinige) Zukunft des Buchhandels gesehen wird. Dabei macht der Anteil von E-Books weniger als sieben Prozent (Stand: August 2014) aus. Und auch unser Social-Media-Atlas zeigt: Nur jeder vierte Internetnutzer liest zumindest gelegentlich E-Books. Deutlich beliebter ist nach wie vor Gedrucktes (63 Prozent).
Statt in E-Books das Allheilmittel (oder den Untergang, je nach Sichtweise) zu sehen, sollten Buchhändler deshalb ihr eigentliches Kerngeschäft, den Vertrieb von (Print-)Büchern, nicht außer Acht lassen. Dazu gehört, die bestehenden Angebote weiter zu optimieren (Ausbau der Beratung, Einrichtung von Leseecken in den Filialen etc.), statt auf neue, digitale Angebote zu setzen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ihnen die Kunden weglaufen – nicht etwa, weil diese sich auf E-Books stürzen, sondern weil ihre Bedürfnisse und Wünsche beim Kauf von Büchern nicht mehr berücksichtigt werden.
Und was hat das jetzt mit der Pressearbeit von Unternehmen zu tun? Jede Menge! Denn auch hier bringt die Digitalisierung neue, spannende Kommunikationskanäle und Darstellungsformen hervor. Und auch hier besteht die Gefahr, dass man sich von der „schönen neuen Welt“ blenden lässt und dabei die Wünsche der Zielgruppe aus den Augen verliert.
So haben wir vor einiger Zeit an dieser Stelle darüber berichtet, dass (gedruckte) Fachzeitschriften das meistgelesene Informationsmedium von Entscheidern sind. Über soziale Medien, Fachforen oder Blogs informiert sich hingegen nur jeder fünfte Topmanager. Wer diese Gruppe mit seiner Pressearbeit erreichen möchte, sollte daher eher seine Bemühungen bei der Erstellung und Platzierung von Fachartikeln ausbauen, anstatt seine Ressourcen in den Aufbau und den Betrieb einer Facebookseite zu investieren.
Allgemeiner formuliert heißt das: Unternehmen sollten sich durch die Digitalisierung nicht zu dem verleiten lassen, was technisch möglich ist. Vielmehr sollten sie darauf setzen, was sich ihre Zielgruppe wünscht. Das gilt für den Buchhandel ebenso wie für Pressestellen.
Geerd Lukaßen