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Aldi: Vom Saulus zum Paulus

 Garantiert giftfreie Kleidung:
Reputationserfolg für Aldi wird zu Giftpille für Greenpeace

Greenpeace Detox 2
Bild Quelle / (c) Greenpeace

„Miserabel“ – so urteilte Greenpeace noch im vergangenen Jahr über Aldi. Es ging um Giftstoffe, die bei der Produktion von Kleidung anfallen, die der Discounter verkauft. Und seine Bemühungen, diese zu reduzieren. Die waren quasi nicht existent – Greenpeace attestierte Aldi eine „Verweigerungshaltung“.

Das ist jetzt alles Vergangenheit. Am 31. März meldeten Aldi und Greenpeace: Aldi will zukünftig nicht nur auf Giftstoffe in seiner Textilproduktion verzichten – sondern arbeitet dabei sogar eng mit Greenpeace zusammen. Discounter und Umweltschutzorganisation haben gemeinsam einen Kriterienkatalog und einen Zeitplan erarbeitet. Feinde wurden Verbündete. Aus Reputationsgesichtspunkten ist dieser Friedensschluss ein Sieg für Aldi – und ein Problem für Greenpeace.

Aldi (Nord und Süd) verfolgt mit der Kooperation eine in der Krisenkommunikation etablierte Strategie: If you can’t beat them, join them – wenn Du sie nicht besiegen kannst, verbünde Dich mit Ihnen. Eine richtige Entscheidung, denn Aldi stand wirklich auf verlorenem Posten. Zwar schnitt kein von Greenpeace unter die Lupe genommener Discounter oder Supermarkt in dieser Hinsicht wirklich gut ab – aber (mit Ausnahme von Interspar Österreich) alle besser als Aldi. Sogar Hauptkonkurrent Lidl und ebenso Tchibo hatten im Urteil der Umweltschützer die Nase vorn.

Die Folgen des Chemikalieneinsatzes in der Textilproduktion für Mensch und Umwelt sind erheblich. Wenn selbst die direkte Konkurrenz beweist, dass es auch im Billig-Segment möglich ist, ohne die gefährlichsten Stoffe auszukommen, wird ein störrisches Beharren auf ihren Einsatz den Unternehmensruf immer massiv schädigen. Aldi stand unter Zugzwang.

Mit Greenpeace bei der Erarbeitung der Maßnahmen direkt zusammenzuarbeiten war dabei für Aldi die beste Option. Das zeigt der Vergleich mit Adidas: Der Sportmode-Gigant hatte in einem ähnlichen Fall ebenfalls vollmundige Versprechen gemacht. Bei der Umsetzung arbeitete Adidas aber nicht mit Greenpeace zusammen, sondern setzte auf die industrie-nahe Initiative ZDHC. Deren Maßstäbe sind deutlich lockerer als die von Greenpeace. Folge: Die Umweltschützer überprüften Adidas aufs Neue, und kamen zu dem Schluss, dass das Unternehmen lediglich „greenwashing“ betreibe. Statt Reputationsschutz gab es so einen weiteren Reputationsschaden. Und Greenpeace machte weiter Druck, bis Adidas schließlich einknickte.

Die Aldi Gruppe macht diesen Fehler nicht. Durch die Zusammenarbeit mit Greenpeace kann Aldi einerseits sichergehen, den Umweltschützern bei seinen Textilwaren fortan keine Angriffsflächen mehr zu bieten. Und gleichzeitig färbt das hohe Renommée der kampagnenstarken Umweltschutzorganisation auf die Reputation des Discounters ab.

Genauer gesagt: Das Renommée fließt zu Aldi ab. Was Aldi an Reputation gewinnt, geht Greenpeace durch die Kooperation verloren. Zwar konnte Greenpeace mit diesem Zusammenschluss einen der größten Textileinzelhändler Deutschlands* für seine Detox-Kampagne gewinnen. Aber kurz, nachdem sie einen Konzern scharf kritisiert haben, plötzlich als Kooperations- und damit Geschäftspartner dieser Konzerne aufzutreten, unterläuft die Glaubwürdigkeit der Umweltschutzorganisation. Unabhängigkeit ist ein Grundpfeiler der Reputation von Greenpeace. Solche Kooperationen einzugehen bedeutet, ein Stück dieser Unabhängigkeit aufzugeben – auf jeden Fall im Auge der Öffentlichkeit. Es entsteht der Eindruck: Greenpeace ist käuflich. Und damit letztlich selbst bloß ein „Greenwasher“. Da kommt viel Arbeit auf das Reputationsmanagement der Grünfriedler zu.

 

 

* Verwundert? Aldi stieg gerade von Platz 10 auf Platz 9 der umsatzstärksten Textileinzeleinzelhändler in Deutschland auf (und hat damit Tchibo überholt).

 

Roland Heintze
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