7 Pannen beim Aufarbeiten der NS-Vergangenheit
Heute erscheint ein Buch zur Geschichte der Lufthansa von 1926 bis 1945 . Mit unangenehmen Wahrheiten aus der Nazi-Zeit. Der Buchautor war ursprünglich von der Airline beauftragt, arbeitet nun aber auf eigene Rechnung. Wie Lufthansa die Aufarbeitung der eigenen Geschichte aus der Hand geglitten ist, lesen Sie hier.
Lufthansa hat Hitler hofiert. Die Führungsetage war braun lackiert. Die Firma unterstützte Deutschland bei der geheimen Wiederaufrüstung und beschäftigte Zwangsarbeiter. Darin unterscheidet sich der Konzern nicht von anderen Unternehmen. Nur während Allianz, Volkswagen und Deutsche Bank ihre Vergangenheit durch Historiker aufgearbeitet und veröffentlicht haben, glänzen die Lufthanseaten durch eine Pannenserie.
Panne 1: falschen Experten beauftragt
Eigentlich sollte die Publikation zum 75-jährigen Jubiläum der Lufthansa im Jahr 2001 erscheinen. Beauftragt wurde Lutz Budraß, ein Experte für Fragen der Luftfahrt, aber kein spezialisierter Historiker für das Dritte Reich.
Panne 2: Fokus auf Zwangsarbeiter
Anstatt die Geschichte der Lufthansa in allen Facetten zu beleuchten, entstand ein externes Gutachten ausschließlich zu Zwangsarbeitern. Von umfangreicher Aufklärung der Nazi-Vergangenheit keine Spur. Dieser Angang ist völlig ungeeignet, die braune Geschichte aufzuarbeiten und aus Sicht der Öffentlichkeit abschließen zu können. Im Gegenteil: Es entsteht der unheilvolle Eindruck, die Lufthansa-Kommunikatoren wollen schlimme Details verschleiern.
Panne 3: Zwangsarbeiter-Studie bleibt unter Verschluss
Der Umgang mit dem Zwangsarbeiter-Gutachten verstärkt den Eindruck der Geheimniskrämerei: Das Gutachten wurde lediglich auf Anfrage von Journalisten verschickt. Aber das kam höchst selten vor.
Panne 4: Lufthansa verliert den Zugang zu ihrem Historiker
Dieses Vorgehen führt zu Misstrauen zwischen Lufthansa und dem Autor Budraß, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Dem Flugkonzern entgleitet der Zugang zu ihrem Historiker, und der erarbeitet eine dicke wissenschaftliche Studie mit einer Gesamtdarstellung der Lufthansa in der Nazi-Zeit – mit allen unangenehmen Details. Diese Studie erscheint heute, am 14. März, als Buch. Ohne Zutun der Lufthansa. Ohne Einfluss, was da zu lesen sein wird.
Panne 5: Durchsichtiges Ablenkungsmanöver
Die Lufthansa versucht es mit einer alten Taktik der Krisen-PR: Sie lässt die Geschichte vorab kontrolliert öffentlich werden, damit das Buch kein Interesse mehr findet. Vor zwei Wochen erschien das Buch „Im Zeichen des Kranichs“. Es ist ein Bildband des Sachbuchautors Joachim Wachtel mit dem Schwerpunkt auf die technischen Pionierleistungen der Airline. Beigefügt ist die – mittlerweile 15 Jahre alte – Studie von Budraß zu den Zwangsarbeitern bei der Lufthansa. Dieser Schachzug ist allerdings allzu durchsichtig, weil Bildband und Gutachten offensichtlich nicht zusammen gehören. Hier reich bebilderter Fotoband, dort 116 Seiten Bleiwüste. Hier Glorifizierung der Vergangenheit, dort Analyse der Zwangsarbeiter-Historie.
Panne 6: Unaufrichtigkeit in der Aufarbeitung der Nazi-Zeit
Im Bildband kommt, so die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, das Wort „Zwangsarbeiter“ nicht vor. Stattdessen liest man von „Fachkräften“ oder von der „Beschäftigung von Ausländern“. Das ist ärmlich und öffnet die Tore für alle Kritiker. So gelingt es der Lufthansa noch nicht einmal, wenigstens das Kapitel Zwangsarbeiter aufrichtig abzuschließen, geschweige denn all die anderen Themen, die das Budraß-Buch heute aufwirft.
Panne 7: Verstecken hinter juristischen Spitzfindigkeiten
Gerne verweist die Lufthansa darauf, dass sie juristisch nicht Rechtsnachfolgerin der Deutsche Luft Hansa AG ist. Wer sich in der Öffentlichkeit mit diesem Kniff aus der Verantwortung stehlen möchte, beschädigt sich selbst. „Das ist schäbig“, denken die Menschen.
Dass sich die Lufthansa-Kommunikatoren so schwer tun, die Nazi-Vergangenheit des Konzerns aufzuarbeiten, ist erstaunlich. Wir erinnern uns: Vor einem Jahr bewältigte Lufthansa den Germanwings-Absturz in der Kommunikation vorbildlich.
Jörg Forthmann