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Ackermann: Tote haben immer Recht

zurichMan stelle sich vor, ein CFO begeht Selbstmord und hinterlässt in einem Abschiedsbrief personifizierte Vorwürfe gegen den Verwaltungsratvorsitzenden. Was tun? Genau vor dieser Frage stand Josef Ackermann als Verwaltungsratschef der Zurich Versicherung. Er hat sich für einen Rücktritt entschieden und öffentlich erklärt: „Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet des objektiv betrachtet auch sein mag.“ Seitdem wird der Selbstmord tagtäglich in den Medien seziert. Das Ziel Ackermanns, Schaden von der Gesellschaft und von sich abzuwenden, hat er nicht erreicht. War der Rücktritt die beste Lösung?

Der Selbstmord hatte eine Vorgeschichte. Ackermann wurde zur Zurich geholt, um die Versicherung wirtschaftlich wieder flott zu machen. Das Handelsblatt berichtet heute, am 14. August seien CFO Pierre Wauthier und Ackermann bei einer Verwaltungsratssitzung aufeinander getroffen. „Der Finanzchef präsentierte dem Verwaltungsrat die Halbjahreszahlen. Gewinn fallend, die Rendite ebenfalls. Doch statt die Dinge beim Namen zu nennen, versah Wauthier jede einzelne Geschäftszahl mit aufhübschenden Bemerkungen. Dem Chefstrategen Ackermann gefiel das nicht. ‚Die Darstellung ist mir persönlich zu positiv‘, hat er einem Insider zufolge gesagt. Ackermann bestand darauf, die Lage ungeschönt darzustellen (…)“. Der Ex-Deutsche Bank-Chef ist ein harter Manager – gegen sich und gegen andere. Der CFO wird gehörig unter Druck gekommen sein – aber das gehört zu seinem Job, heißt es von anderen Topmanagern. Als Verwaltungsratsvorsitzender hat Ackermann deutlich stärkeren operativen Durchgriff gehabt als es bei deutschen Aufsichtsräten der Fall ist; ein Büro in der Zurich-Zentrale hatte der Schweizer schon bezogen. Er saß dem Zurich-Management im Nacken.

Es gibt weitere Fakten, die Ackermann möglicherweise in seinem Entschluß beeinflusst haben: So heißt es, dass eine externe Beratungsfirma die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsrat und Management untersucht habe. Die Ergebnisse sollten bei der nächsten Verwaltungsratssitzung vorgestellt werden. Ging es hierbei um die rapide Verschlechterung der Gesprächskultur, die Wauthier in seinem Abschiedsbrief anprangerte? Ackermann kannte das Gutachten bereits.

Wauthier hat zwei Abschiedsbriefe geschrieben: Einen an seine Familie und einen an die Zurich mit der Überschrift „to whom it may concern“. Das lässt den Schluß zu, dass es sich um einen geplanten und nicht um einen impulsiven Selbstmord gehandelt hat.

Das alles wird der Zurich-Verwaltungsratschef gewußt haben bevor er sich zu seinem Rücktritt entschloss. War diese Entscheidung richtig? Nein, denn dadurch hat der Selbstmord medial weiteren Auftrieb erhalten. Ohnehin hat Ackermann in der öffentlichen Diskussion keine Chance, denn „Tote haben immer Recht“ (Börsen-Zeitung). Zudem verbietet es die Pietät, sich offensiv mit den Vorwürfen eines Verstorbenen auseinander zu setzen. Ackermann steckt in der Sackgasse.

Durch den Rücktritt ist es ihm nicht gelungen, sich aus der öffentlichen Diskussion herauszuziehen, nach dem Motto, „er hat die Konsequenzen gezogen, also treten wir nicht hinterher“. Das war auch nicht zu erwarten, den Wauthiers Selbstmord ist nicht der erste Freitod eines Schweizer Managers, und es läuft gerade eine gesellschaftliche Auseinandersetzung in der Schweiz, ob Topmanagern zuviel abverlangt wird. In diesen Mainstream ist Ackermann hineingeraten. Das war absehbar. Sein Rücktritt nährt nur noch den Verdacht, dass sein Verhalten zu Recht kritisch beleuchtet werden muss.

Jörg Forthmann

 

 

Jörg Forthmann
Posted inKrisen-PR Blog: Mediengau

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