Beim Autopreis „Gelber Engel“ soll der ADAC die Abstimmungszahlen manipuliert haben, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Weitere Medien springen auf. Der Vorwurf: Bei der renommierten Auszeichnung von Deutschlands größtem Automobilclub soll die Kommunikationsabteilung die Zahl der abgegebenen Stimmen verfälscht haben. Die Süddeutsche berichtet von internen Unterlagen, die das beweisen sollen. Statt 290.000 Stimmen sollen tatsächlich 76.000 gültige Stimmen gezählt worden sein. Der ADAC reagiert mit angezogener Handbremse. Man werde „zu gegebener Zeit“ weitere Schritte prüfen. Damit hat der ADAC die Chance vertan, den Skandal im Keim zu ersticken. Warum diese unnötige Zurückhaltung?
Der ADAC ist eine außerordentlich machtvolle Organisation. Der Club kämpft für rund 18,8 Millionen Autofahrer und ist damit die größte Interessenvereinigung Deutschlands. Zu gern schmückt sich der ADAC mit dem Eindruck, er kämpfe quasi selbstlos für die Belage der Autofahrer. Dabei ist der Automobilclub mittlerweile ein großer Konzern. Das wird gerne in der Öffentlichkeit übersehen, schließlich gehört der ADAC zu den Guten. Warnt vor gefährlichen Fähren, gibt Stauwarnungen zu Reisezeiten und gehört zu den erbitterten Mahnern von sicheren Fluchtwegen in Autotunneln. Das alles produziert eine gefährliche Fallhöhe, denn wer sich sakrosankt gibt, darf nicht lügen. Keinesfalls. Doch genau das wird jetzt dem ADAC jetzt vorgeworfen. In der ADAC-Zentrale müssen ob dieses Vorwurfes sämtliche Alarmglocken klingeln.
Die Reaktion des Clubs auf die Medienberichte spiegelt das jedoch nicht wider: „Alle Preise, die der ADAC […] bei seiner großen Veranstaltung ‚Gelber Engel‘ vergibt, […] beruhen auf sauberen, statistisch repräsentativen Auswertungen der Stimmen unserer Mitglieder“, heißt es in einer Stellungnahme des Automobilclubs. Alle Aussagen, die etwas anderes behaupten, seien unwahr. Für die Wahl zum „Lieblingsauto der Deutschen“ habe man dieses Jahr erstmals ein verbindliches Regelwerk aufgestellt. Im Vorjahr habe es überproportional viele ungültige Stimmen gegeben. So berichtet Handelsblatt online.
Doch: Wo ist das harte, klare Dementi? Wo sind die Zahlen, die klar die Position des ADAC belegen und der Süddeutschen eine Falschberichterstattung nachweisen? Wo sind die juristischen Schritte, um deutlich zu zeigen, dass hier eine Falschberichterstattung vorliegt? Statt dessen hüllt sich der ADAC in nebulösen Aussagen. „Deshalb ist es umso unverständlicher, dass sich die Münchener ADAC-Zentrale heute nach Bekanntwerden der Vorwürfe weitgehend in Schweigen gehüllt hat. Sollte an den Manipulationsvorwürfen doch etwas dran sein?“, mutmaßt bereits Stefan Menzel, stellvertretender Chefredakteur Handelsblatt Online.
Update: Nach tagelangem Dementi – sogar auf der Preisverleihung – hat der ADAC am 20. Januar nun doch die Manipulation zugegeben. Breite Berichterstattung in Süddeutscher Zeitung, Bild, Horizont, Spiegel.de, Focus.de, Handelsblatt und faz.net.
Jörg Forthmann