Noch bei der Preisverleihung „Goldener Engel“ hat ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair von „Unterstellungen und Unwahrheiten“ gesprochen. Die Abstimmzahlen beim Leserpreis des ADAC seien nicht geschönt, wie von der Süddeutschen Zeitung behauptet. Immerhin seien die vier Buchstaben ADAC richtig abgedruckt worden, geißelte er die Journalisten. Heute – vier Tage später – wird über seinen anstehenden Rücktritt spekuliert. Auslöser: seine katastrophale Krisenkommunikation. Videos von der Preisverleihung werden inzwischen verhöhnt, ein Shitstorm bricht über den Automobilclub herein.
Das Verhöhnen der Journalisten war bereits ein schwerer Missgriff. Dass der ADAC geschlagene fünf Tage benötigte bis er den Fehler offen zugab, wiegt allerdings deutlich schwerer. Allzu sehr entsteht der Verdacht, der Bericht der Süddeutschen Zeitung sollte ausgesessen werden, um die glorreiche Preisverleihung ungestört durchführen zu können.
Immerhin hat der ADAC die Zeit genutzt, einen Schuldigen zu präsentieren. Das ist in der Krise oftmals ein guter Schachzug – nur nicht, wenn er so schlecht inszeniert wird wie vom ADAC. Der Kommunikationschef Michael Ramstetter musste gehen, und er erwies seinem langjährigen Arbeitgeber einen letzten Dienst: Er allein sei schuld, niemand sonst sei informiert gewesen, schon gar nicht die Führungsriege, und nur er hätte Zugang zu den Abstimmungsauszählungen gehabt. Doch der „Gelbe Engel“ ist die Auszeichnung des ADAC. Unvorstellbar, dass Ramstetter die Mitgliederbefragung alleine durchgeführt hat. Und wo kamen die Informationen der Süddeutschen Zeitung her, wenn nur Ramstetter Zugang zu den Zahlen hatte? Wohl kaum von ihm selbst.
Kurzum: Selbst mit der sagenhaften Vorbereitungszeit von fünf Tagen hat der ADAC die Krisenkommunikation nicht glasklar hingelegt. Zu viele Fragen sind offen geblieben. Obermair geriert sich als oberster Aufklärer und kündigt eine interne Prüfung der Preisvergabe an – aber die Öffentlichkeit hält das nur für Scheingefechte. Authentizität entsteht eben durch offenes und ehrliches Tun. Der ADAC ist ein Musterbeispiel, wie man es nicht tut.
Trotz der fünftägigen Vorlaufzeit ist der ADAC weiterhin überfordert. Am Sonntag war auf der Facebook-Seite des ADAC das letzte Posting zu „Ab sofort gilt eine neue DIN-Norm für Kfz-Verbandskästen“ zu lesen. Das ist praktizierte Verhöhnung der Online-Community, die diese Verachtung auch gleich mit mehr als 1.000 zumeist kritischen Posts bestraft. Nun gibt es immerhin ein Statement – die offizielle Pressemitteilung. Setzen, sechs.
Wenn es jemals zur Diskussion stand, Obermair als Geschäftsführer zu schützen, hätte der ADAC
- vor der Preisverleihung reinen Tisch gemacht,
- alle Zahlen zur Abstimmung klar offengelegt,
- die Verleihung des „Lieblingsautos“ am Donnerstag gestrichen, denn es ist nur eine von neun Preiskategorien,
- die Prüfung der Preisvergabe direkt in die Hände unabhängiger Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte gegeben.
…und: Obermair wäre wirklich zerknirscht gewesen und hätte sich bei allen ADAC-Mitgliedern ehrlich entschuldigt, erst in einer Pressekonferenz, dann in einem persönlichen Brief des Geschäftsführers.
Diese Chance ist vertan. Die Politik schaltet sich ein, Automobilkonzerne distanzieren sich vom ADAC. Ganz nach Michail Gorbatschow: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Kleiner Trost zum Schluss: Obermair hat sich inzwischen bei der Süddeutschen Zeitung entschuldigt. „Die Führung des ADAC bedauert die Berichterstattung der vergangenen Tage, ebenso die Kritik von ADAC Spitzenrepräsentanten im Rahmen der Preisverleihung ‚Gelber Engel‘ gegenüber einzelnen Medien“, heißt es in einer Presseinformation.
Jörg Forthmann