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Krisen-PR: Blaue Flecken für weiße Streifen

Wie Adidas vermieden hätte, in die Kritik zu geraten

Adidas, Deichmann, H&M und Puma zahlen wegen Corona keine Miete mehr für ihre Läden. Vor allem Adidas gerät damit in eine Kommunikatonskrise. Ein internationaler Konzern mit Milliardengewinn kann keine Miete mehr zahlen? Das sorgt bundesweit für Aufregung. So hätte Adidas das gleiche Ziel ohne Krise erreicht.

Adidas verfügt über eine Liquidität von 900 Millionen Euro. Die Dividende soll um opulente 15 Prozent steigen; CEO Kasper Rosted will sagenhafte 800 Millionen Euro an die Aktionäre ausschütten. Obendrein ist ein Aktienrückkaufprogramm geplant gewesen mit einem Wert von bis zu einer Milliarde Euro. Und plötzlich ist der internationale Sportkonzern wegen der Corona-Pandemie nicht mehr in der Lage, die Miete für seine Geschäfte zu bezahlen. Das versteht der durchschnittliche Bundesbürger nicht – und es empört ihn.

Adidas agiert wie im tiefsten Kapitalismus

Das war vorhersehbar. Das Land erlebt eine Welle der Solidarisierung. Wie wir es aus anderen Zeiten der Angst kennen, rücken die Menschen zusammen. Und sie halten sich an Hoffnungsträgern fest. Jeder muss jetzt sein persönliches Opfer bringen. Da passt es überhaupt nicht ins Bild, dass plötzlich ein internationaler Konzern mit klotzigen Gewinnen seine Miete nicht mehr überweisen will. Das ist unsolidarisch. Es ist – so wird es verstanden – eine Geste aus dem tiefsten Kapitalismus; der Stärkere setzt sich durch. Wenn das Topmanagement bei Adidas darüber einen kleinen Moment nachgedacht hätte, wäre diese kommunikative Fehlleistung leicht vermeidbar gewesen.

Möglicherweise mangelt es aber auch am Adlerblick auf die gesellschaftliche Erwartung an Unternehmen. Der Stakeholder Value wurde sukzessive durch den Shareholde Value übersetzt; Unternehmen sind nicht mehr nur ihren Aktionären verpflichtet, sondern der gesamten Gesellschaft. Die Frage an Unternehmen lautet heute: Welchen Mehrwert bringst Du der Gesellschaft, damit wir im Gegenzug deine Gewinne akzeptieren? Wenn Topmanager auf diese gesellschaftliche Erwartung keine Antwort haben, verlieren ihre Firmen die „License to operate“ – und damit ihre Daseinsberechtigung.

Adlerblick in der Corona-Krise fehlt

Auch dieser Blick aus der Adlerperspektive zeigt, dass die unternehmerische Entscheidung zum Mietenstopp unklug war, zumindest aber unklug kommuniziert worden ist. Das Adidas-Management hätte sich zuerst fragen sollen, was können wir als Firma leisten, um der Gesellschaft in der Corona-Pandemie beizustehen? Vorbilder hierfür gibt es genug: BASF, Jägermeister oder Trigema haben alle ihren ganz eigenen Weg gefunden, sich mit den Menschen in der Not solidarisch zu zeigen. So ein Signal fehlt bei Adidas.

Stattdessen die schnöde Mitteilung, dass ab sofort für mehr als 2.000 Läden keine Miete mehr gezahlt wird. Wie unklug dies kommuniziert wurde, zeigt sich bereits an den Relativierungen, die Adidas nun hinterher schiebt. In Deutschland seien nur 26 Läden betroffen. Die vier privaten Vermieter würden weiterhin ihr Geld bekommen. Die anderen Vermieter seien professionelle Immobiliengesellschafter oder Versicherungen, die für die Maßnahme von Adidas viel Verständnis gezeigt haben.

Wer in der Not ist, bittet um Hilfe. So geht’s!

Es fehlt Adidas aus Sicht der Öffentlichkeit schlicht an Anstand. Wer in der Not ist, bittet um Hilfe. So einfach ist das. Man streicht nicht einfach die Miete, sondern bittet seinen Vermieter um ein Entgegenkommen. Das mag Vorständen mit der Verantwortung für Milliardenumsätze arg weichgespült erscheinen. Das ist egal. Die Öffentlichkeit erwartet diesen Anstand. Punkt.

Klug wäre es also gewesen, im ersten Schritt zu zeigen, wie Adidas einen Beitrag zur Pandemiebekämpfung liefert. Da gibt es bestimmt eine kluge Aktion, die es herauszustellen lohnt. Danach hätte das Adidas-Management aufgezeigt, wie sehr das Unternehmen durch die Corona-Pandemie betroffen ist und dass man deshalb das Gespräch mit Vermietern sucht, um eine gemeinsame (!) Lösung in dieser schwierigen Situation zu finden. Kurze Zeit später hätte sich Adidas dankbar (!) gezeigt, dass mit nahezu allen Vermietern eine gute Lösung gefunden wurde, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Im Ergebnis hätte Adidas ebenfalls keine Mieten mehr gezahlt, wäre aber nicht bundesweit verprügelt worden.

Adidas hat den Fehler gemacht, als eines der ersten Großunternehmen demonstrativ unsolidarisch aufzutreten. Damit hat Adidas eine schwierige Rolle in der Corona-Krise auf sich genommen: Wenn von heute an über Unternehmen gesprochen wird, die die Corona-Krise ungebührlich ausnutzen, wird Adidas als erstes genannt. Adidas ist zum Synonym für egoistische Unternehmen geworden. Da helfen jetzt auch keine hintergeschobenen Erklärungen mehr.

Jörg Forthmann

Jörg Forthmann
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