Öffentliche Entschuldigung ist der dritte Versuch, die Krise zu bewältigen
Wenn die öffentliche Empörung erst einmal hochgekocht ist, ist sie schwer wieder zu besänftigen. Das hat Adidas in der vergangenen Woche schmerzhaft lernen müssen. Es brauchte einen demonstrativen Kotau, um Nachsicht zu finden. Lesen Sie hier, was nicht funktioniert hat.
Die Ankündigung, wegen der Corona-Pandemie keine Miete mehr zu zahlen, ging für Adidas gehörig schief. Dass ein kerngesundes und Milliarden Euro verdienendes Unternehmen sich so schnell einseitig auf Kosten der Vermieter saniert, hat die Öffentlichkeit nicht verstanden. Eine ausgewachsene Empörungswelle war die Folge.
Schon am Freitag letzter Woche hatte der Adidas-CEO Kasper Rorstedt die Signale verstanden und angekündigt, auf die Hälfte seines Monatsgehalts zu verzichten – gut 80.000 Euro. Auch der restliche Vorstand und die zweite Führungsebene verzichtete auf Gehalt. Man sollte meinen, dass der persönliche Verzicht des CEOs ausreichen könnte, die Krise zu entschärfen. Doch die Geste drang gar nicht erst durch und konnte damit nicht wirken.
Auch der nächste Anlauf am Dienstag schlug fehl. Adidas beschloss, nun doch nicht für eine Milliarde Euro Aktien zurück zu kaufen. Für das Adidas-Topmanagement mag das ein gehöriges Zugeständnis an die empörte Öffentlichkeit gewesen sein. Doch die allermeisten Menschen verstehen gar nicht, was ein Aktienrückkaufprogramm ist – und honorieren somit diese Massnahme der Hochfinanz gar nicht erst.
Am gestrigen Mittwoch folgte nun die öffentliche Entschuldigung:
Liebe Leser_innen,
die Entscheidung, von Vermieter_innen unserer Läden die Stundung der Miete für April zu verlangen, wurde von vielen von Ihnen als unsolidarisch empfunden. Ihre Meinung ist uns wichtig, und Ihre Meinung ist eindeutig: Sie sind von adidas enttäuscht.
Deshalb möchten wir uns bei Ihnen in aller Form entschuldigen. Wir haben unseren Vermieter_innen die Miete für April bezahlt. Fairness und Teamgeist sind seit jeher eng mit adidas verknüpft und sollen es auch bleiben.
Fast auf der gesamten Welt findet kein normales Geschäft mehr statt. Die Läden sind zu. Das hält selbst ein gesundes Unternehmen wie adidas nicht lange aus.
Um langfristig die Arbeitsplätze unserer 60.000 Mitarbeiter_innen zu sichern, machen wir harte Einschnitte. Mit unseren Betriebsräten haben wir uns auf Kurzarbeit geeinigt. Unser Vorstand verzichtet bis auf Weiteres auf 50% seines Gehaltes, die nächste Führungsebene auf 30%. Wir haben unser Aktienrückkaufprogramm vollständig eingestellt. Trotz dieser Einschnitte wird adidas Kredite benötigen.
Wir versuchen, unseren Beitrag zu Projekten zur Bewältigung der COVID-19-Krise zu leisten.
Wir unterstützen den Solidarity Response Fund der WHO und Hilfsorganisationen in Deutschland. In China haben wir medizinische Güter für Ärzt_innen und Pflegepersonal bereitgestellt. Unsere Partner produzieren auf unsere Kosten Gesichtsschutz und Masken für das Gesundheitswesen.Diese Krise ist auch für uns eine Ausnahmesituation, die uns jeden Tag vor noch nie dagewesene Herausforderungen stellt. Wir haben einen Fehler gemacht und damit viel Vertrauen verspielt. Es wird dauern, Ihr Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Aber wir werden alles dafür tun.
Ihr adidas Team
Das war der Durchbruch. Endlich! Es ist den handelnden Akteuren bei Adidas hoch anzurechnen, dass sie diesen öffentlichen Kotau auf sich genommen haben. Und er ist in weiten Strecken gut gemacht. Wer jedoch nach Japan guckt, wo das Entschuldigen zur hohen Schule gereift ist, sieht noch Verbesserungspunkte:
- Gut ist, ehrlich das Problem einzugestehen und Fehler klar zu benennen.
- Auch hat Adidas klar Konsequenzen gezogen. Prima.
- Auf den Hinweis, dass man aber doch Kredite braucht, hätte man hier verzichten sollen. Denn es schleicht sich gleich der Verdacht ein, dass sich Adidas hier ein finanzielles Hintertürchen einbaut. Dieser Hinweis ist überhaupt nicht relevant. Zum Glück wurde er bislang von den Medien und der Internet-Community weitgehend übersehen.
- Der Absender ist „Ihr adidas-Team“. Warum steht hier nicht Kasper Rorstedt als CEO? Muss er sich hinter dem adidas-Team verstecken? Er wird es ja auch federführend gewesen sein, der das Aussetzen der Mietzahlung beschlossen hat. Eine Entschuldigung wird durch Menschen ausgesprochen, nicht durch Firmen oder ein „adidas-Team“.
Doch auch so scheint die Entschuldigung gereicht zu haben, um die Krise zu lösen.
Das Adidas-Beispiel zeigt sehr gut, dass es durchaus möglich ist, öffentliche Empörung zu besänftigen. Es bedarf allerdings eines sehr deutlichen Signals, das vom Publikum auch verstanden wird. Und es muss dem Unternehmen gelingen, dass dieses Signal auch weithin gesehen wird – denn was die Öffentlichkeit nicht erfährt, kann sie auch nicht würdigen.
Jörg Forthmann