„Blatter ist abgetaucht, aber der Ball ist da. Als stummer Begleiter des Fifa-Sprechers Walter de Gregorio bewältigt der Adidas Conext 15, ruhend auf dem Tisch, eine der unangenehmsten Pressekonferenzen, die das Sport-Business je gesehen hat“, schreibt das Manager Magazin online süffisant. Joseph Blatter reißt nicht nur die FIFA in den Abgrund, sondern Adidas gleich mit. Wie konnte es dazu kommen, wo Adidas schon seit Jahren von den Vorwürfen weiß?
„Für die Marke Adidas zeigen ist der Korruptionsskandal um die Fifa die denkbar schlechteste Werbung. Im Netz machen Boykottaufrufe die Runde. Schließlich stammt ein maßgeblicher Teil der Fifa-Milliarden, die laut der US-Anklage das weltweite Fußballgeschäft systematisch korrumpieren, aus Herzogenaurach“, berichtet das Manager Magazin im Internet. Doch damit nicht genug. Die Journalisten graben tiefer und entdecken eine unangenehme Wahrheit: Adidas-Gründer Adi Dassler ist der Erfinder des Sportmarketings. Sein Sohn gründete die Schweizer Marketingfirma ISL. Sie ging 2001 pleite. Strafgerichtlich sei festgestellt worden – so die Welt am Sonntag-, dass ISL 138 Millionen Schweizer Franken Schmiergeldzahlungen an Funktionäre gezahlt habe. Adidas-Gelder dürften mit geflossen sein. Die börsennotierte Sportfirma sagt dazu: „Die Ära Horst Dassler ist Teil unserer Geschichte, aber heute gelten andere Regeln.“
Wenig erfolgreiche Krisenkommunikation bei Adidas
Und auf diese neuen Regeln pocht Adidas öffentlichkeitswirksam auch bei der FIFA: „Wie wir in der Vergangenheit betont haben, erwarten wir von der FIFA, auch weiterhin transparente Compliance-Standards zu setzen und diese konsequent anzuwenden.“ Das war’s. Viel mehr Konsequenzen aus der Verhaftung von FIFA-Funktionären und der Wiederwahl Blatters mag sich Adidas offensichtlich nicht leisten. Denn – so kolportieren die Journalisten – Adidas ist von der IFA abhängig wie kein anderer Sponsor. Dem Wettbewerber Nike rennen die Deutschen hinterher; da sollen wenigstens die Milliardenumsätze aus dem Fußballgeschäft sicher bleiben. Das Motto: Augen zu und durch. Wird schon gutgehen.
Wird es nicht. Das hätte Adidas schon vor Jahren sehen müssen, denn die Korruptionsvorwürfe tauschen regelmäßig wieder auf. Die Frequenz steigt allerdings unangenehm, und immer öfter wird die Rolle von Adidas thematisiert. Adidas hat sich mit seiner Lethargie in eine Sackgasse manövriert: Wirtschaftlich ist die Firma auf den Fußball unausweichlich angewiesen. Gleichzeitig baut sich eine veritable Reputationskrise, von der wir bislang wohl nur den Anfang gesehen haben. Selbst die FIFA erwartet weitere Ermittlungen und Enthüllungen. Blatter kündigte das in seiner Antrittsrede als neuer Präsident sogar schon vorsorglich an. Für die Adidas-Kommunikatoren verheißt das nichts gutes.
Jetzt hilft nur noch ein Befreiungsschlag in der Kommunikationskrise
Adidas hilft jetzt nur noch ein Befreiungsschlag: Wer so lange im Sumpf mitmarschiert ist, dem glaubt das Publikum kleinlaute Rufe nach Transparenz und Ehrenhaftigkeit nicht mehr. Doch so ein Befreiungsschlag – wie auch immer er aussieht – tut weh. Personelle Konsequenzen wird der Adidas-Vorstand nicht ziehen mögen, weil man dann indirekt Schuld eingesteht. Bauernopfer auf den niedrigeren Rängen überzeugen das Publikum nicht. Also bleiben nur noch offensive Manöver gegen die FIFA, was Blatter in diesen Tagen wohl kaum als freundlichen Akt empfinden wird. Adidas könnte einen eigenen, unabhängigen Ermittler einschalten, der die Beziehungen zwischen Adidas und FIFA – früher und heute – intensiv beleuchtet. So schlüpft der Sporthersteller in die Rolle des Aufklärers und gewinnt Zeit. Irgendwann sind dann aber Konsequenzen gefragt. Schmerzfrei geht es für Adidas jetzt nicht mehr.
Jörg Forthmann
Update: Mittlerweile fordern Aktionäre von Adidas, dass das Unternehmen die Sponsoringverträge mit der FIFA kündigt