Krisen-PR: NGOs verbünden sich mit Großinvestoren
Anfragen von NGOs hatten in der Vergangenheit mitunter etwas niedliches. Das ist jetzt vorbei. Die NGOs verleihen ihren Forderungen mit einem simplen Trick Nachdruck: Sie verbünden sich mit Großinvestoren. Was das für Kommunikatoren bedeutet, lesen Sie hier.
Wer ein hinreichend dickes Fell hatte, musste sich vor NGOs bislang nicht unbedingt fürchten. Die Forderungen nach besserer Umwelt, Verantwortung für lebenswürdige Arbeitsbedingungen und vieles mehr sorgten zwar für unangenehme Öffentlichkeit. Doch genug Unternehmen setzten auf die Schildkröten-Strategie und ließen die markigen Anwürfe an ihrem Panzer abperlen. Die NGOs haben jedoch inzwischen dazu gelernt. Nach dem Motto „Follow the money“ suchen sie das Bündnis mit Kapitalanlegern und Banken. Schmuddelfirmen sollen Probleme bekommen, sich finanzieren zu können.
Echtes Druckpotenzial: 12 Billionen Dollar
Aktuelles Beispiel ist ein Fragebogen zum Umgang mit Mitarbeitern, den die britische Wohltätigkeitsorganisation Shareaction an 500 Großkonzerne geschickt hat. Üblicherweise würden die Firmen den Fragebogen wohl großflächig ignorieren. Diesmal allerdings nicht. Denn Shareaction hat den Fragebogen mit 100 Großanlegern ausgearbeitet, die mehr als 12 Billionen Dollar verwalten.
Die Idee hinter der Aktion ist simpel: Wer nachhaltig wirtschaftet, liefert eine bessere Rendite. Doch ganz so freiwillig wird manch ein Großinvestor nicht mitmachen, denn die NGOs befleißigen sich, auch die gesellschaftliche Verantwortung von Kapitalanlagegesellschaften und Banken auf die Probe zu stellen. Wer nicht spurt, spürt die Peitsche – und wird wiederum selber von Geldflüssen abgeschnitten.
So bauen die NGOs eine wunderbare Reihe an Dominosteinen auf: die Geldanleger nehmen die Finanzinvestoren in die Pflicht, Finanzinvestoren nehmen die Konzerne an die Kandarre, und die Konzerne sorgen für „saubere“ Bedingungen bei ihren Lieferanten. Wenn alle Beteiligten gefügig sind, passiert nichts. Andernfalls wird an der Daumenschraube des 21. Jahrhunderts gedreht, dem Geldhahn – und die Finanzierung für das Unternehmen wird teurer.
Das Erfüllen von Forderungen der NGOs war bislang oftmals eine Frage des guten Willens im Topmanagement. Jetzt ist es eine Frage der Refinanzierungskonditionen und hat ein Preisschild, das Vorstände sofort verstehen.
Krisen-PR: Egoismen der Menschen machen Firmen anfällig für Anfeindungen
Hinter vorgehaltener Hand sprechen Manager von „Erpressung“. Tatsächlich sind all jene Firmen besonders anfällig, die kein überzeugendes Bild abliefern, welchen gesellschaftlichen Nutzen sie erzeugen. Die Menschen fragen, was sie davon haben, wenn ein Unternehmen seine Geschäfte macht. Wohlgemerkt: Es ist die Frage nach dem ganz persönlich empfundenen Nutzen. Die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen eines Unternehmens wird mittlerweile sehr egoistisch bewertet. Das macht die Aufgabe für Kommunikatoren so herausfordernd: Gesucht wird eine Unternehmenspositionierung, die den egoistischen Wünschen der Firma (nach Expansion oder sprudelnden Gewinnen) ebenso gerecht wird wie den egoistischen Wünschen des Publikums („Was tun die für mich?“). Hier sollten Konzerne frühzeitig überzeugende Antworten liefern. Wer dies nicht tut, macht sich angreifbar.
Die Unternehmenspositionierung in der Öffentlichkeit wird damit zur Prophylaxe gegen die Krise. Kommunikatoren sind gut beraten, ihren Chefs diesen Zusammenhang deutlich zu machen. Die NGOs werden sehen, dass ihre Bündnisse mit Großinvestoren erfolgreich sind und dann dieses Konzept kopieren. Shareaction fährt zur Zeit gleich mehrere Kampagnen parallel. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann man unter die Räder gerät – oder ob man sich frühzeitig durch öffentliche Akzeptanz immunisieren konnte.
Jörg Forthmann