Delaware in den USA kennt kaum jemand. Yachthafen, Palmenstrand, luxuriöse Villen. Aber das ist nicht das Wichtigste in dem Bundesstaat. Mehrere hunderttausend Unternehmen haben dort eine Niederlassung. Die Liste liest sich wie das Who-is-Who der deutschen Wirtschaft: Allianz, Siemens, Volkswagen, Linde, SAP und Deutsche Bank tummeln sich an der amerikanischen Ostküste. In Delaware gibt es ein – recht kleines – Bürogebäude, das die Adresse für 200.000 Firmen liefert. Delaware ist eine Steueroase in den USA. Doch nicht nur dort finden sich deutsche Unternehmen. Ob Virgin Island oder die Caymans – deutsche Unternehmen können ihre Vorliebe für Steueroasen nicht mehr leugnen. Das entwickelt sich für Kommunikatoren zum Problem. Aktuell sind Manager-Boni im aktuellen Wutbürger-Barometer des Faktenkontors das Thema mit der höchsten Ablehnung in der deutschen Bevölkerung. Die vermeintlich unredliche Steuervermeidung durch deutsche Firmen baut sich als nächstes, großes Krisenthema auf. Nach dem Motto: Erst die Selbstbedienung der Manager mit überzogenen Gehältern, dann der Betrug am deutschen Steuerzahler. Kommunikatoren sollten bei diesem Thema alarmiert sein.
Auch wenn die Steuersparmodelle zumeist legal sind, haben sie in der Öffentlichkeit Sprengwirkung: Nahezu alle DAX-Unternehmen lassen sich in Steueroasen finden – das Thema hat also Relevanz für die Medien. Der Frust über die „Unredlichkeit deutscher Manager“ ist nach der Finanzkrise auf einem Allzeithoch. Die Steuerersparnis ist milliardenschwer, und „der deutsche Steuerzahler blecht mal wieder für Großunternehmen“. Kommunikatoren sind mit einer Pauschalverurteilung konfrontiert, gegen die sich nur schwer ankämpfen lässt. Dabei glänzt zum Beispiel Delaware nicht nur mit Steuervorteilen, sondern auch mit einem Gericht, das sich auf gute Unternehmensführung, Haftungsfragen, Übernahmeangebote und den Umgang mit Interessenkonflikten spezialisiert hat. Es urteilen Berufsrichter, und keine Laien-Jury, und das auch noch sehr schnell.
Aktuell geben sich die Unternehmen noch sehr wortkarg bei Journalistenanfragen zu den Dependancen in Steueroasen, die oftmals noch nicht einmal einen Telefon- oder Faxanschluss haben. Das verschärft nochmals den öffentlichen Eindruck, dass da was Unredliches verschwiegen werden soll. So werden sich die deutschen Unternehmen nicht durchmogeln können. Spätestens jetzt ist es Zeit für eine gemeinsame Kommunikationsinitiative der großen deutschen Unternehmen. Am besten, man schafft einen starken Absender für dieses Thema, auf den sich gut verweisen lässt. So ist es möglich, das Thema Steueroasen offensiv zu bearbeiten, ohne dass einzelne Gesellschaften sich einem Reputationsrisiko aussetzen. Viel Zeit bleibt den Entscheidern hierfür allerdings nicht mehr.
Jörg Forthmann