Sex ist als Nachrichtenfaktor zu schön. Deshalb ist Ergo mit seiner Budapest-Sause heute wieder im Blätterwald reichhaltig vertreten. Diesmal ist die Klageerhebung gegen ehemalige Manager der Ergo durch die Hamburger Staatsanwaltschaft der Aufhänger. Mehrere Journalisten mutmaßen in ihren Artikeln, dass die Anzeige der Ergo nur ein Ablenkungsmanöver sei, denn gleichzeitig gibt es einen Verdacht auf Kundenbetrug bei Riester-Verträgen und Vorwürfe wegen der Umdeckung auf schlechter verzinste Versicherungsverträge. Wer sich die Zeitabläufe genau ansieht, hat Schwierigkeiten, ein Ablenkungsmanöver zu erkennen. Die Anzeige wurde bereits 2011 gestellt, und üblicherweise soll ein Ablenkungsmanöver kurzfristig Entlastung schaffen. Auch wenn man ganz schlecht über die Ergo denkt: Dazu ist diese Anzeige nie geeignet gewesen. Das hilft dem Versicherungskonzern allerdings nichts, denn der steckt in der Heuchelei-Falle – eine der gemeinsten Fallen für Kommunikatoren. Beim Aufräumen des Skandals hat die Ergo die Manager angezeigt, um zu zeigen, dass aufgeräumt wird. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war im Haus, und alle Berichte der internen Revision wurden ins Internet gestellt, um vollkommene Transparenz zu zeigen. Nur, das Publikum ist von der Wahrhaftigkeit des Tuns nicht überzeugt. Die Aktivitäten sind bruchstückhaft und erfolgen mitunter auch nur, um dem öffentlichen Druck zu entgehen. Es fehlt die konzertierte Aktion, die sichtbar und dauerhaft die Einsicht eines Fehlers und die Wendung zum Besseren zeigt. Da diese Basis nicht vorhanden ist, vermuten Journalisten und Bürger allzu schnell Heuchelei. Das ist nicht fair. Das muss objektiv nicht richtig sein. Aber darauf kommt es in der Krisenkommunikation nicht an.
Jörg Forthmann