7 Tipps für die Krisen-PR im Falle von Tod und Schwerverletzten
Die Ursache des katastrophalen Brands im Londoner Grenfell Tower ist noch nicht geklärt, aber die Medien suchen bereits eifrig nach den Schuldigen. Die Verkleidung des Hochhauses steht unter Verdacht. Und mit ihr eine Reihe von Unternehmen, unter anderem ein deutscher Mittelständler. 7 Tipps, was zu tun ist, wenn unerwartet der Tod Einzug in die Unternehmenskommunikation hält.
Die Pinneberger Firma Witt & Sohn AG hat das Londoner Hochhaus in den Jahren 2014 bis 2016 mit einem Entrauchungssystem ausgestattet. Opfer des Brandes berichten, dass das Treppenhaus vollkommen verqualmt gewesen sein soll. Überlebende schildern, bei der Flucht über Tote im Treppenhaus hinweg gestiegen zu sein.
Doch nicht nur die Pinneberger waren an der Sanierung des Hochhauses beteiligt: Die Wärmedämmung lieferte Saint-Gobain, Aluminium-Verbundplatten für die Fassadenverkleidung kamen vom US-Hersteller Arconic. Architekten vom Studio E planten, die Sanierungsfirma Rydon führte die Arbeiten aus, Harley Facades montierte die Fassade und die Bauberatungsfirma Max Fordham begleitete den Bau. Lauter potenzielle Schuldige.
Bei einem derart gravierenden Unglück starten Redaktionen ihre ganz eigene Suche nach Schuldigen. Sie wollen die Geschichte weiter schreiben und den erhitzten Gemütern Gesichter von Menschen zeigen, die sich schuldig gemacht haben. Mindestens aber die Unternehmen benennen, die in den „Skandal“ verwickelt sind.
So ist es auch beim Grenfell Tower geschehen. Wie Krisenkommunikatoren auf die Konfrontation mit Tod und Schwerverletzten reagieren sollten:
1. Nicht in die Schweigefalle tappen
Wenn Journalisten in der Pressestelle eines beteiligten Unternehmens anrufen, gibt es kaum noch Chancen sich wegzuducken. Medien kennen bereits die Verbindung zwischen der Firma und dem Unglück, und sie werden wahrscheinlich dieses Wissen ausschlachten. Der Druck auf die Journalisten durch die Chefredaktionen ist groß, die nächsten Schlagzeilen zum Topthema zu liefern. In diesem Umfeld müssen Krisenkommunikatoren damit rechnen, dass ihr Unternehmen auf jeden Fall genannt wird. Im Zweifelsfall mit einer Einordnung in den Skandal, die der Firma keinesfalls recht ist. Wer schweigt, verpasst die Chance, in diesem kritischen Moment die Geschichte zu drehen. Danach steht der Drall der Berichterstattung fest.
2. Vorverurteilung vermeiden
Medien wollen oftmals schneller Schuldige liefern als es tatsächlich möglich ist. Der Volkszorn hat nicht die Geduld, langwierige Ermittlungen und Gerichtsprozesse abzuwarten. So kurios es klingt, mit der Suche nach den Schuldigen können Krisenkommunikatoren am dritten oder vierten Tag nach der Krise rechnen. Dann sind andere Themenfelder so weit abgegrast, dass die Frage nach Schuldigen ansteht.
Für Unternehmen ist das Abwenden einer Vorverurteilung der entscheidende Moment in der Krise. Allerdings liegen zumeist nicht alle Informationen vor, um den Sachverhalt wirklich beurteilen zu können. Außerdem wabert mitunter eben doch der Verdacht in der Luft, dass das eigene Haus belastet ist. In dieser Situation neigen Pressestellen dazu, mit sehr vagen Äußerungen auf Journalistenanfragen zu reagieren. Das ist falsch. Trotz der latenten Unsicherheiten sollte das Unternehmen klar Punkte setzen, warum die Vorwürfe nicht verfangen.
Im Fall des Pinneberger Mittelständlers ist es der Hinweis gewesen, die Entrauchungsanlage zwar geliefert zu haben, aber sie weder montiert noch gewartet zu haben. Außerdem sei die Anlage so ausgelegt gewesen, dass sie den Rauch vom Brand einer einzigen Etage absaugt, aber nicht in dem Umfang des Grenfell Towers. So hat der Mittelständler Distanz zwischen sich und dem Vorfall geschaffen. Das ist nicht wirklich elegant, aber hilft, zuerst einmal aus der Schußlinie zu kommen.
3. Nicht leugnen, was sich nicht leugnen lässt
Witt & Sohn hatte die Grenfell Tower als Referenz auf der Webseite und diese Referenz nach dem Brand schnell gelöscht. Doch Journalisten hatten die Seite schon gesehen und ihre eigenen Schlüsse gezogen. Was bereits öffentlich ist und möglicherweise durch klug recherchierende Redakteure gefunden wurde, sollte nicht geleugnet werden. Das beschädigt die Glaubwürdigkeit und erschwert die weitere Kommunikation unnötig. Merke: Wer einmal lügt, den glaubt man nicht. Leugnen eines wahren Fakts ist aus Journalistensicht eine klare Lüge.
4. Verbündete aktivieren
Wer im Verdacht steht, eine Untat begangen zu haben, ist kein glaubwürdiger Absender. Das ist nicht fair, aber es ist wichtig, diese Rahmenbedingung zu verstehen. Hilfreich sind Verbündete, die das Unternehmen als Fürsprecher aktivieren kann. Das können zum Beispiel Verbände, Gutachter oder Wissenschaftler sein. Das stärkt die Argumentation des Unternehmens und hilft dem Journalisten, den Sachverhalt richtig einzuordnen. In einer Krise ist es allerdings schwer, diese Verbündeten für sich zu gewinnen. Deshalb sind Pressesprecher gut beraten, bereits vor einer Krise Kontakte zu Verbündeten aufzubauen.
5. Anteilnahme, keine Entschuldigung
Wer sich entschuldigt, hat einen Grund, sich zu entschuldigen – ist also schuldig. Deshalb sollten Unternehmen gut überlegen, ob sie sich bei Opfern entschuldigen. Selbst wenn sich die Firma tatsächlich schuldig gemacht hat, ist eine Entschuldigung in der Regel ausgeschlossen. Davon wird der Strafrechtsanwalt dringend abraten. Sich nicht zu entschuldigen, kann dazu führen, dass die Öffentlichkeit vom Verhalten des Unternehmens enttäuscht ist, wodurch sich die Krise verschärft. Deshalb ist es oftmals klug, Anteilnahme zu zeigen. Das ist in der konkreten Umsetzung allerdings herausfordernd. Musterhaft hat das der Lufthansa-Chef Carsten Spohr beim Germanwings-Absturz in Frankreich hinbekommen.
6. Folgeberichterstattung eindämmen
Füttere nicht das Biest, das dich fressen will. Journalisten werden die Geschichte über die Beteiligten an dem Unglück weiter fortschreiben wollen. Deshalb sollten Krisenkommunikatoren rechtzeitig aufhören, weitere Informationen und Zitate zu liefern. Genauso wie das Abfangen einer Vorverurteilung ist das Ziehen der Notbremse ein wichtiger Meilenstein, um die Krise zu meistern.
7. Strafrechtsanwalt sofort einschalten
Bei Tod und schwer verletzten Menschen ist die Gefahr groß, das Entscheider aus dem Unternehmen strafrechtlich verfolgt werden. Deshalb sollte frühzeitig ein Strafrechtsanwalt zu Rate gezogen werden. In Medienfragen erfahrene Strafrechtler verstehen es, einerseits das juristisch Notwendige einzufordern, andererseits aber den Kommunikatoren zu helfen. Schlechte Juristen töten hingegen jedwede Krisenkommunikation und geben die Firma der Hexenjagd in den Medien preis. Deshalb ist es wichtig, sich vor der Krise eines brauchbaren Strafrechtsanwalts zu vergewissern.
Jörg Forthmann