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Krisen-PR: Ex-DFB-Chef Grindel bastelt an seiner Dolchstoßlegende

Dolchstoß aus den eigenen Reihen: Warum Mitarbeiter und Führungskräfte in der Krise am gefährlichsten sind

Ex-DFB-Chef Reinhard Grindel hat von einem ukrainischen Fußball-Funktionär eine teure Uhr angenommen – und ist wegen dieses teuren Geschenks aus dem Amt geflogen. Heute sagt er: „Leider hat es Personen gegeben, die diesen Fehler bemerkt und an die Presse durchgestochen haben.“ Damit ist er nicht allein: Etwa 80 Prozent aller Krisen entstehen, weil die eigenen Mitarbeiter denunzieren. Was das für Folgen hat, lesen Sie hier.

Grindel hält sich heute für „naiv“, dass er die teure Uhr arglos angenommen und daraus auch so gar keinen Hehl gemacht hatte, so zitiert ihn die gestrige „Bild am Sonntag“. Dass er einen Compliance-Verstoß begangen hat, sei ihm erst später klar geworden. Dann habe er die Konsequenzen gezogen und sei von seinem Amt als DFB-Präsident zurück getreten. Aus seiner Sicht hätte es so nicht laufen müssen. Grindel hätte sich gewünscht, dass er auf seinen Fehler angesprochen wird. Stattdessen wurde das wertvolle Geschenk – immerhin etwa 11.800 Euro teuer – an die Presse durchgestochen.

Mit dieser Sicht auf die Bereicherung im Amt hat sich Grindel seine ganz eigene Dolchstoßlegende zurechtgelegt: Hinterrücks wurde er von den eigenen Leuten gemeuchelt.

Die große Naivität im Topmanagement

Wo Grindel seine ganz eigene Naivität sieht, ist er nicht allein: Die allergrößte Zahl an Kommunikationskrisen entsteht, weil Mitarbeiter und Führungskräfte – ehemalige oder derzeitige – ihr Unternehmen oder seine Topmanager denunzieren. Das Frappierende dabei ist, dass das Topmanagement

1. von diesem Umstand und

2. von der Tragweite der Denunziation

zumeist völlig überrascht ist. Die Naivität ist in den Chefetagen weit verbreitet. Es gibt einen strukturellen Irrglauben an die Loyalität der eigenen Belegschaft, dass kein gemeiner Verrat begangen wird.

Krisen-PR: Mitarbeiter sind die gefährlichsten Denunzianten

Das ist ein böser Fehler, zumal Mitarbeiter und Führungskräfte sehr oft ihren Verrat mit internen Unterlagen garnieren und damit die Kommunikationskrise gezielt anheizen. Angesichts der internen Unterlagen ist der Informant besonders glaubwürdig, und das Unternehmen wird sehr stark in die Defensive gedrängt.

Topmanager sind daher gut beraten, vertrauliche Unterlagen nur in sehr kleinen Kreisen zirkulieren zu lassen – oder auf eine schriftliche Dokumentation ganz zu verzichten. Es mag in Wahrheit bei der Betrachtung der gesamten Lage sogar völlig unverfänglich sein, was überlegt oder gar umgesetzt wurde. Verräter aus den eigenen Reihen wählen jedoch gezielt nur diejenigen Dokumente aus, die ihrem Ziel dienen: der Rache.

Tatsächlich hat sich in den Unternehmen selbst bei vertraulichen Dokumenten ein Verteilerkreis etabliert, der erstaunlich ist. Alle Vorstände und ausgewählte Führungskräfte der zweiten Ebene werden schriftlich informiert, natürlich über das jeweilige Sekretariat. Manch einer fühlt sich berufen, den Vorgang auch noch mit seinen Mitarbeitern zu teilen, so dass am Ende weit mehr als zwanzig Insider informiert sind. Oft genug ist die Vertraulichkeit so lückenhaft, dass der Vorgang in kurzer Zeit im Flurfunk diskutiert wird. Wer so Betriebsinterna schützt, muss sich nicht wundern, wenn missgünstige Mitarbeiter leichtes Spiel haben, ein vermeintlich brisantes Informationspaket für Investigativjournalisten zu schnüren.

Wenn Vertrauliches im Flurfunk rumgereicht wird, ist die Kommunikationskrise nicht weit

Absolute Vertraulichkeit im allerengsten Kreis ist deshalb oberste Pflicht von Topmanagern, wenn sie nicht wie Zwanziger irgendwann ihre ganz eigene Dolchstoßlegende erzählen wollen. Wenn dann dennoch vertrauliches Material an Redaktionen durchgestochen wird, helfen nur noch professionelle Krisen-PR in Kombination mit klugem Einsatz des Medienrechts – aber das ist dann schon eher Notlösung als Kür.

Jörg Forthmann

Jörg Forthmann
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3 Comments

  1. Guten Tag, mich irritiert Ihre Wortwahl in dem Beitrag. Da ist die Rede von „Denunzianten“ oder „Verrätern“, „Missgunst“.
    Es liest sich so, als ob Mitarbeiter die Fehlverhalten aufzeigen die eigentlichen „Verbrecher“ sind. In diesem Beispiel ist doch Herr Grindel derjenige der sich der Bestechung o.ä. durch die Annahme der Uhr verdächtig gemacht hat. Wenn sich Whistleblower direkt an die Presse wenden, dann zeigt es doch einmal mehr wie mit solchen Informationen intern in Unternehmen umgegangen wird. Die- oder derjenige war wohl der Meinung, dass es nichts bringt (oder am Ende noch zum Nachteil ausgelegt wird), wenn man Herrn Grindel auf seinen „Fehler“ anspricht. Zudem hat Herr Grindel klar zugegeben, dass er gegen Compliance-Regeln verstoßen hat. Sie aber schreiben von Denunzianten und Verrätern.

    1. Hallo Herr Galow,
      das ist ein sehr guter Hinweis! In der Tat ist nicht deutlich genug geworden, dass es bei anderen Unternehmen oftmals um das Zusammenstricken einer kleinen Horrorgeschichte geht, die in dieser Einseitigkeit so nicht richtig ist. Grindel hat die Ursache für seine Krise selbst geliefert. Das ist ein wichtiger Unterschied.
      Besten Dank!
      Jörg Forthmann

  2. Wichtig ist auch, dass die „Naivität“ und das unschuldige „Erstaunen“ der erwischten Chefs natürlich nicht wörtlich genommen und vor allem geglaubt werden sollte. Das hört sich im Artikel so an. Das gespielte Erstaunen ist eigentlich die einzige Art darauf zu reagieren, wer möchte schon zerknirscht dastehen und sagen „Ja, ich wusste eigentlich, dass es absolut daneben ist, was ich gemacht habe, aber ich hab ehrlich gesagt geglaubt, damit durchzukommen“…

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