Musterbeispiel für Kommunikatuionskrisen aus der Lieferkette
Die schwedische Zeitung „Expressen“ hat in thailändischen Familien-Hotels recherchiert, ob man sich an der Rezeption Prostituierte auf das Zimmer bestellen kann. Es geht – für eine Servicegebühr von knapp 8 Euro. Da es sich um Vertragshotels von TUI und DER Touristik handelt, entzündet sich auch in Deutschland eine Negativberichterstattung. Sehen Sie hier, wie schlimm diese Kommunikationskrise für die beiden Touristikunternehmen wirklich war. Und warum Risiken in der Lieferkette das große Thema für Kommunikatoren in 2024 werden.
An sich ist die Geschichte der schwedischen Journalisten eine Null-Nummer. Es ist weithin bekannt, dass sich Touristen in Thailand Prostituierte auf das Hotelzimmer mitnehmen können. Deshalb suchte die Redaktion offensichtlich einen Dreh, mit dem die Recherche eine höhere Relevanz bekommt, und siehe da: Die Familien-Hotels sind Vertragspartner von namhaften Touristikkonzernen, unter anderem von TUI und DER. So hat die Geschichte doch noch Relevanz erhalten. Eine echte Kommunikationskrise ist daraus trotzdem nicht geworden. Die Anzahl der Erwähnungen zeigt keinen Krisen-Peak, und in der Tonalitätsentwicklung verzeichnet DER einen kleinen Ausschlag ins Negative. Das war’s. Die Reputationsanalysen von TUI und DER für den letzten Monat zeigen keine Blessuren durch die Prostituierten-Affäre.
Das Weiterdrehen der Geschichte durch die schwedischen Journalisten war durchsichtig, und es mochte sich niemand so recht über Prostitution im fernen Thailand aufregen.
Die Lieferkette wird ein unliebsamer Quell für die Krisen-PR
Dennoch ist diese Krise ein Vorzeichen für Kommunikatorinnen und Kommunikatoren für 2024: Wir werden deutlich mehr Krisenfälle in diesem Jahr aus der Lieferkette sehen. Der betroffene Zulieferer ist wahrscheinlich eher unbekannt und überhaupt nicht nachrichtenrelevant. Doch durch die namhafte Kundschaft erhält die Story ihre Relevanz – und wird ein Fall für die Krisen-PR. Diese Masche werden nicht nur Investigativjournalisten pflegen. Sie wird auch ein wirkungsvoller Hebel für NGOs, die für Menschenrechte und Umweltschutz kämpfen – das ist wahrscheinlich die weitaus größere Gefahr.
Jörg Forthmann