Krisen-PR: Warum der VW-Boss für 10.800 Euro vor Gericht muss - Faktenkontor Krisen-PR: Warum der VW-Boss für 10.800 Euro vor Gericht muss - Faktenkontor

Krisen-PR: Warum der VW-Boss für 10.800 Euro vor Gericht muss

Persönliches Erscheinen vom Gericht angeordnet.

Die verunglückte Aussage in der Talkshow von Markus Lanz – „Was wir gemacht haben, war Betrug.“ – hat eine erste juristische Folge. VW-Chef Herbert Diess ist am kommenden Dienstag vor Gericht geladen. Wegen einer Lappalie: Eine Kundin klagt auf die Rückgabe ihres Dieselgate-Autos. Doch das ist für die VW-Kommunikatoren erst der Anfang.

VW hat es bisher tunlichst vermieden, im Zusammenhang mit der Dieselaffäre von Betrug zu sprechen – zumindest in Deutschland. Doch nun sagte ausgerechnet Konzernchef Herbert Diess in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz: „Was wir gemacht haben, war Betrug, ja!“ – und hat damit die Büchse der Pandora geöffnet.

Die zahlreichen Kläger gegen Volkswagen sehen jetzt die große Chance für ihre Mandanten, vor Gericht zu gewinnen. Wie das aussehen kann, ist am kommenden Dienstag vormittags am Landgericht Duisburg zu besichtigen. Das Gericht hat das persönliche Erscheinen von Diess angeordnet (!). Es geht um seine Äußerung in der Talkshow. Da es eine „höchstpersönliche Äußerung war“, muss der VW-Manager auch selbst erscheinen. Falls er nicht kommt, kann das Gericht ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000 Euro verhängen. Doch von diesem Fehler – Missachtung des Gerichts – werden ihm seine Krisenkommunikatoren fleißig abraten.* Eher wird flugs noch mit der Klägerin ein schneller außergerichtlicher Vergleich vereinbart.

Es geht um eine Kundin, die gegen VW auf Rückgabe ihres Diesels klagt. 10.800 Euro möchte sie zurück erstattet bekommen. Hätte VW betrogen, stehen ihre Chancen auf einen juristischen Sieg gut.

Spießrutenlauf in der Krisenkommunikation

Für VW ist das der Auftakt eines juristischen Spießrutenlaufs, den ausgerechnet ihr oberster Chef durchstehen muss. Dank seiner Person ist auch sicher, dass bei jeder Verhandlung die Medien mit dabei sind. Vorstandsvorsitzende vor Gericht sind ein herrliches mediales Futter. Diess wird sich mit seiner klaren Aussage im Fernsehen wahrscheinlich ein halbes Dutzend Gerichtstermine einfangen.

Damit geht schief, was er und seine Kommunikatoren eigentlich wollten. Nachdem die größte Empörung in der deutschen Bevölkerung durch ist, sollte Diess mit Aufbruchstimmung und Schwiegermuttercharme wieder Sympathien für Volkswagen aufbauen. Dass das nicht ohne Probleme geht, war klar. Fragen zum Dieselgate-Skandal lauern auf den VW-Manager in jedem Pressetermin. Dementsprechend geschult wird er sein. Juristen und PR-Leute werden ihm eingebleut haben, was er auf welche Frage zu sagen hat. Das – und nichts anderes.

Doch Diess ist kein PR-Roboter. Er gefällt sich in der Öffentlichkeit. Er wagt sich deshalb auf das heiße Parkett. Denn er ist zugleich selbstbewusst. Wer es an die Spitze eines Autoweltkonzerns geschafft hat, bewältigt auch lästige Fragen zum Dieselskandal. Kurz: Diess ist uneinsichtig und deshalb zum Teil beratungsresistent. Seinen Beratern vor dem Fernseher auf der heimischen Couch wird das Whisky-Glas vor Schreck aus der Hand geglitten sein, als er sein Betrugs-Geständnis so freiherzig sagte.

Das lässt sich nicht mehr retten. Die Aussage ist gemacht. Und zwar glasklar. Da wird es auch den findigen VW-Anwälten schwer fallen, das anders darzustellen.

Zur Krisen-PR gehören ehrliche Worte, was Manager leisten können – und was nicht

Wir Krisenkommunikatoren sind Diess dennoch sehr dankbar: Er liefert uns ein wunderbares Beispiel zum Lernen. Juristen nehmen in schweren Krisen – insbesondere im Strafrecht oder bei sehr hohen Schadenersatzforderungen – die PR an die ganz kurze Leine. Schließlich könnten die gegnerischen Anwälte und Staatsanwälte unliebsame Äußerungen gegen das Unternehmen verwenden. Diess und seine Kommunikatoren haben sich gegen die Rechtsabteilung durchgesetzt und den Manager zum personifizierten Neubeginn bei VW gemacht.

Das hätten sie nicht tun dürfen. Ihr Chef ist ein wunderbarer Botschafter des Hauses und kommt „draußen“ gut an, aber er hält sich nicht immer an Briefings. Das ist im Konzern schon länger bekannt. Damit ist er für die Aufgabe ungeeignet. Krisenkommunikatoren kommt nun mal auch die unliebsame Aufgabe zu, deutliche Ratschläge zu geben, wer für bestimmte Aufgaben in der Öffentlichkeit geeignet ist – und wer nicht.

Ratschläge sind eben mitunter auch Schläge. Davor dürfen wir nicht zurückscheuen.

Jörg Forthmann

 

* Nachtrag: In meiner Einschätzung, dass Diess zum Gerichtstermin erscheinen wird, habe ich mich geirrt. Er hat tatsächlich das Gericht missachtet. Aus Kommunikastionssicht ist das gefährlich, denn es zeigt für das Publikum: Diess tut so, als ob für ihn normale Maßstäbe nicht mehr gelten. Das mögen die Menschen nicht, noch dazu, wenn die betroffene Person für einen potenziellen Betrüger arbeitet.

Jörg Forthmann
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