Aussagen in der Pressekonferenz verschlimmern die Lage unnötig
Der gestrige Diesel-Gipfel war für die Vorstandsvorsitzenden der Automobilhersteller nicht vergnügungssteuerpflichtig. Doch vor allem VW-Chef Matthias Müller redete sich aus der Sicht der Öffentlichkeit um Kopf um Kragen. War er schlecht beraten? Oder hat er auf seine Kommunikatoren nicht gehört?
Daimler-Chef Dieter Zetsche kam immerhin noch mit seinen Kernbotschaften in die Abendnachrichten: Man habe Verantwortung und übernehme sie auch. Außerdem wolle man nicht Teil des Problems sein, sondern Teil der Lösung. Damit hat der Autoboss klug die Erwartungshaltung des Publikums adressiert: Die Konzerne sollen dafür gerade stehen, dass sie den deutschen Autofahrern fehlerhafte Autos verkauft haben. Auch der BMW-Vorstandschef Matthias Krüger zeigte sich einsichtig: „Wir sind uns des Ernsts der Lage sehr bewusst. Es waren herausfordernde Gespräche.“
Ganz anders der VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller. Er sprach nach Zetsche. Wollte er deshalb die vom Publikum erwarteten Botschaften, die schon vorab gesagt waren, nicht wiederholen? Ein Fehler. Statt dessen lieferte Müller Aussagen, die den vom Dieselskandal gebeutelten Kunden missfallen mussten.
Das Handelsblatt schreibt:
VW-Chef Müller kann die Kritik der Demonstranten zwar verstehen. „Aber unternehmerisches Versagen lasse ich nicht gelten.“ VW würde die Verantwortung übernehmen und die Software von rund vier Millionen Fahrzeugen optimieren. „Darin haben wir, wie Sie sicher wissen, eine gewisse Erfahrung“, witzelte der VW-Chef.
Kann Müller das ernst gemeint haben, dass es ein „unternehmerisches Versagen“ nicht gegeben hat? Was soll Dieselgate sonst gewesen sein? Wie passen die offiziellen Einlassungen der Wolfsburger bei den amerikanischen Behörden zu dieser Aussage? Da hat sich der VW-Boss offensichtlich bös verritten. Diesen Faux pas auch noch mit Ironie zu garnieren, hilft gar nicht.
Doch damit nicht genug:
„Wir halten es im Grunde genommen für ausgeschlossen, Hardware-Nachrüstungen vorzunehmen. Einmal des Aufwandes wegen, aber auch, weil die Wirkung fragwürdig ist.“
Die Aussage, dass das Nachrüsten von Dieselautos das Problem nicht löst, mag sachlich richtig sein. Doch dieses Statement liest sich wie eine bockige Verweigerungshaltung des VW-Granden. Denn offensichtlich bewegt ihn der Aufwand für die Automobilindustrie – geschätzte 1.500 Euro je Fahrzeug – mehr als die technische Herausforderung. Obendrein fragt sich das interessierte Publikum, wie wohl VW-Pkws in den USA erfolgreich nachgerüstet werden, und warum das in Deutschland nicht geht. Zurück bleibt der unglückliche Eindruck, dass der Ober-Bösewicht für die verursachten Schäden nicht gerade stehen will.
Anfeuern der Krise durch unkluge Aussagen
Verschärft wird dieser Eindruck durch die Erläuterung Müllers, dass er seine Ingenieure lieber an zukunftsfähiger Technologie arbeiten lasse als an der Lösung von Problemen bei Motoren, die vor Jahren ausgeliefert wurden. Betroffene Autobesitzer verschlägt es bei dieser Aussage die Sprache, denn verallgemeinert sagt Müller: Es ist für mich nicht wichtig, Fehler, Versäumnisse und Betrügereien der Vergangenheit wieder gerade zu rücken. Auch wenn wir die Möglichkeit dazu hätten. Damit stellt er sich – unnötig – konträr zum Gerechtigkeitsempfinden der Menschen. Wer einen Fehler gemacht hat, muss dafür auch einstehen.
Interessierte Krisenkommunikatoren schauen auf dieses Debakel und schütteln den Kopf. War Müller nicht vorab auf die Pressekonferenz vorbereitet worden? War er schlecht beraten? Oder hat er auf seine Presseleute schlicht nicht gehört? Wenn man Erfahrungswerte mit Vorständen in der Krise nimmt, wird es wahrscheinlich Letzteres gewesen sein. Müller hat damit seinem Unternehmen keinen Gefallen getan. So gar nicht.
Tragweite geht über eine misslungene Pressekonferenz hinaus
Leider zeigt die Pressekonferenz auch, dass er offensichtlich bis heute nicht verstanden und akzeptiert hat, welche Fehler Volkswagen in der Vergangenheit gemacht hat. Das ist eine denkbar schlechte Voraussetzung, um Akzeptanz und Vertrauen im Markt wieder aufzubauen. So eine Haltung erschwert nicht nur die Vertrauensbildung bei Kunden, Politik und Multiplikatoren. Sie unterminiert vor allem den vollmundig versprochenen Wandel in der Unternehmenskultur. Wenn der Chef so denkt, werden die nächsten Hierarchiestufen sich nicht großartig ändern müssen. Das kann auch die klügste Unternehmenskommunikation nicht heilen.
Jörg Forthmann