Granini hat es wahrscheinlich schon geahnt: Verbraucher reagieren allergisch darauf, wenn Produkte verdeckt teurer werden, weil die Menge reduziert wird oder hochwertige Zutaten gegen billigere getauscht werden. Der Safthersteller hat Saft durch Zuckerwasser ersetzt, was erst einmal kaum Empörung ausgelöst hat. Bis die Verbraucherzentrale es öffentlich gemacht hat. Das Lehrstück für Kommunikatoren geht allerdings noch ein Stück weiter.
Die Lebensmittelpreise steigen, der Wochenendeinkauf ist deutlich teurer geworden. Und es kursiert der böse Verdacht, dass Lebensmittelhersteller die aktuelle Inflation nutzen, um ihre Preise über Gebühr zu erhöhen – und kräftig Gewinne zu scheffeln. In einem derart sensibilisierten Umfeld ist es gefährlich, heimlich die Verpackungsmengen zu reduzieren oder teure Inhaltsstoffe gegen billigere auszutauschen. Das sieht so aus als ob der Verbraucher hinter’s Licht geführt werden soll. Interessanterweise entsteht die Empörung darüber nur selten im Kreis der Verbraucher. Vielmehr sind es Institutionen wie die Verbraucherzentrale, die diese Preisgestaltung öffentlich machen.
So ist es gerade Granini passiert – mit gewaltigem Negativecho. Der Safthersteller wurde einmal quer durch die Medien gehörig verprügelt. Die Reputationswerte sind in den Sinkflug gegangen. Das Unternehmen gehört nun zu dem kleinen Kreis an Lebensmittelherstellern, die öffentlich wegen heimlicher Preiserhöhungen vorgeführt wurden. Das alleine wäre für die Krisenkommunikation eher ein „gewöhnlicher“ Fall. Idealerweise wurde vorab im Management abgewogen, wie stark das Reputationsrisiko ist und welche Margenvorteile entstehen – um mit klarem Risikobewusstsein die Wertigkeit des Saftes zu verringern.
Verbraucherzentrale ist die Treiberin der Krise im Hintergrund
Interessant ist der Granini-Fall, weil bereits vor ein paar Wochen die Verbraucherzentrale mehrere Firmen benannte, die zur „Skimpflation“ beitragen, darunter auch Granini. Doch das Medienecho war für Granini überschaubar. Nun hat die Verbraucherzentrale Granini alleine thematisiert – und damit eine gehörige Empörungswelle losgestoßen. Das ist für alle anderen Unternehmen, die zuvor bereits von der Verbraucherzentrale angezählt wurden, eine böse Warnung: Diese Masche könnte die Verbraucherzentrale auch bei diesen Unternehmen wiederholen – denn die Skimpflation-Presseinformationen laufen gut und erzeugen für die Verbraucherschützer ein sehr erfreuliches Medienecho.
Insofern lohnt es sich als Krisenmanager, nicht nur das Echo auf das eigene Unternehmen im Auge zu haben, sondern den gesamten Markt – um frühzeitig derartige Entwicklungen zu antizipieren und sich kommunikativ darauf vorzubereiten. Denn es gibt durchaus gute Gründe, den Orangensaft mit Zuckerwasser zu versetzen. Ohne diese Rezepturveränderung wäre der Saft aufgrund extremer Steigerungen bei den Rohstoffpreisen sehr viel teurer geworden. Viel teurer als es den meisten Verbrauchern lieb gewesen wäre. Doch dieses Argument wurde von Granini nicht gespielt.
Jörg Forthmann