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Krisen-PR: Wie Ravensburger in die Woke-Falle tappt

Eine kleine Gruppe von Richtigdenkern konfrontiert den Kinderbuchverlag Ravensburger auf Instagram mit dem Vorwurf, mit den neuen Winnetou-Büchern würden rassistische Stereotype reproduziert, Kolonialisierung und Völkermord verharmlost. Ravensburger reagiert und stoppt die Auslieferung der Bücher. Damit landet der Verlag erst recht am Marterpfahl der öffentlichen Empörung. Lesen Sie hier, warum sich Ravensburger im Krisenmanagement fatal geirrt hat.

Das Einknicken des Kinderbuchverlags ist für die Woke-Bewegung* ein toller Erfolg. Es zeigt, dass durch laute Empörung auch große Unternehmen auf Linie gebracht werden können. Es ist aber auch ein Lehrstück für Kommunikatoren, warum es unklug ist, auf die Lauten zu hören und die Mehrheit zu übersehen. Wie auch immer man darüber denkt, versteht die Mehrzahl der Deutschen nicht, was so schlimm daran ist, im Imbiss ein Schnitzel mit Zigeunersauce zu bestellen oder einen Negerkuss zu essen. Genauso wenig wird verstanden, warum Kindergärtnerinnen den Kleinen verbieten, im Indianerkostüm zur Faschingsfeier zu kommen. Oder warum die Karl-May-Bücher aus der Jugend auf einmal schlecht sind. Das wird als überzogen empfunden. Es ist eine stille Mehrheit. Aber – wenn sie sich an der richtig Stelle provoziert sieht, drückt auch sie ihre tief im Innern liegende Empörung aus.

Apokalyptische drei Reiter in der Krisen-PR

So geschehen beim Auslieferungsstopp der Winnetou-Bücher. Der Verlag ist von den apokalyptischen drei Reitern der Krisen-PR heimgesucht worden: hohe Reichweite bei negativer Tonalität und hoher Viralität. Kurzum, der Verlag ist mit einem emotional geladenen Umfeld konfrontiert gewesen, in dem rationale Argumente nicht mehr greifen. Das ist das schlimmste Szenario für Krisenkommunikatoren. Die Medienanalyse zeigt aber auch, dass die Viralität nach nur einem Tag naschlässt und die Krise bald durchgestanden ist. Zurück bleibt die Erinnerung an Ravensburger, eines der ersten Unternehmen gewesen zu sein, dass an der falschen Stelle vor der Woke-Bewegung eingeknickt ist. Dieser Makel – ob nun berechtigt oder nicht – wird dem Verlag dauerhaft anhaften.

Intellektuell mag die Abwägung, ob man das Indianerbild unzulässig verklärt, richtig sein. Die breite Bevölkerung ist aber zutiefst genervt davon, dass auf einmal vieles falsch sein soll, was bislang nicht falsch war – und wofür man sich jetzt schuldig fühlen soll, wenn man nicht daran denkt. Man soll immer schön gendern. An sexuelle Orientierungen denken, deren Kürzel man bis heute nicht begriffen hat. Und immer sehr sauber prüfen, ob etwas rassistisch oder sozial ungerecht verstanden werden könnte. Dazu sind die Menschen nicht bereit, weil sie in ihrer Wahrnehmung gar nichts Schlechtes tun, wenn sie von „Kunden“ sprechen und nicht von „Kund:innen“. Wenn sie die Mohrenstraße in Berlin als interessantes historisches Bonmot werten und nicht gleich empört sind. Und wenn sie keine echte Notwendigkeit erkennen, dass es neben den Damen- und Herren-WC nun auch noch eine dritte Tür für all diejenigen gibt, die sich weder auf dem einen oder auf dem anderen Abort wohl gefühlt haben.

Empörung der Menschen hat sich an Ravensburger entzündet

Diese Menschen fühlen sich von der gesellschaftlichen Debatte zurück gelassen, wenngleich sie nach aktuellen Marktforschungsdaten immer noch die breite Mehrheit sind. Diese Menschen haben Angst vor Corona, exorbitanten Preissteigerungen und Krieg. Wenn in so einer emotionalen Drucksituation auf einmal Liebgewonnenes wie die Karl-May-Geschichten in Frage gestellt werden, bricht die Empörung durch. Diese Erfahrung hat der Kinderbuchverlag nun machen müssen.

Jörg Forthmann

 

*Woke (englisch „erwacht“, „wach“, Aussprache: ist ein im afroamerikanischen Englisch in den 1930er Jahren entstandener Ausdruck, der ein „erwachtes“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus beschreibt (Wikipedia)

Jörg Forthmann
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