Krisen-PR: Wie VW Journalisten mit abstrusen Verboten züchtigen will - Faktenkontor Krisen-PR: Wie VW Journalisten mit abstrusen Verboten züchtigen will - Faktenkontor

Krisen-PR: Wie VW Journalisten mit abstrusen Verboten züchtigen will

Event besuchen, aber: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen

Volkswagen lädt „wenige, ausgewählte Journalisten“ zu einer Veranstaltung ein. Aber nur, wenn sie sich verpflichten, weder mitzuschreiben, zu filmen oder zu fotografieren. Außerdem müssen die Beiträge von der Presseabteilung abgesegnet werden. Dieselgate hinterlässt Spuren bei VW. Nun sollen Verbote und Zensur die Sache richten.

Die Pressestelle von Volkswagen ist offensichtlich wund gescheuert vom andauernden Dieselgate-Skandal. Nicht nur, dass die Negativnachrichten einfach nicht abreißen. Selbst vermeintlich gute Nachrichten dringen nicht durch. Da wird jetzt hart durchgegriffen: Nun bekommen nur noch Journalisten Zugang zu wichtigen Events, wenn sie sich einem strengen Regelwerk beugen. So geschehen beim Launch der neuen ID.Familie. Hinter diesem kryptischen Namen verbirgt sich ein neues VW-Modell, mit dem die Wolfsburger den „tiefgreifenden Wandel der gesamten Marke zur E-Mobilität und zur Digitalisierung“ einläuten wollen.

Wer als Journalisten zu diesem Event kommen will, darf weder mitschreiben, filmen, noch fotografieren. Offensichtlich sollen sich Redakteure mit den ausgeteilten Unterlagen begnügen. Wer das später abschreibt, macht bestimmt nichts falsch. Doch um auch dieses Risiko zu umgehen, verlangt die PR-Abteilung, dass sie alle Beiträge vor der Veröffentlichung prüfen kann. Eine Journalistin brachte es in Twitter auf den Punkt: das ist unabhängiger Journalismus wie in der Volksrepublik Nordkorea.

Damit reiht sich Volkswagen in die unrühmliche Ahnengalerie der Maulkorb-Propagandisten ein. Erfunden wurden die erzwungenen Selbstbeschränkunen von Journalisten wohl von Konzertveranstaltern. Später bediente sich auch Greenpeace dieses Mittels. Vom ADAC wird berichtet, er hätte seinen Pannenhelfern in der Krise Maulkörbe per Vertrag aufzwingen wollen. Nun also VW.

Dabei war mit dieser Strategie nur Greenpeace erfolgreich. Offensichtlich wird Umweltschützern das Beschneiden von redaktioneller Freiheit eher verziehen. Allen anderen fielen die restriktiven Regelwerke auf die Füße.

Tatsächlich sind Maulkörbe kontraproduktiv. Sie machen Journalisten argwöhnisch. Unternehmen verspielen Sympathie und Vertrauen. In Wahrheit sind Maulkörbe das eindeutige Signal, dass große Verzweiflung herrscht. Nichts gelingt. Nun müssen drastische Maßnahmen her. Vorstände dürfen das als Kapitulationserklärung ihrer Pressestelle verstehen – und sollten entsprechende Konsequenzen ziehen.

Jörg Forthmann

 

Jörg Forthmann
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