Ulrich Marseille ist ein hoch erfolgreicher, aber auch ein mitunter sehr eigenwilliger Mensch. Der Gründer der Hamburger Marseille Kliniken macht gerade mit seiner Pressestelle in Journalistenkreisen von sich reden: Offensichtlich war die Frage eines Spiegel-Journalisten, ob denn die Klinikkette die Kaution für ihren Ex-Aufsichtsrat Thomas Middelhoff zahlen werde, nicht erwünscht. So erhielt der Redakteur einen Kostenvoranschlag über 199,20 Euro „für die Beantwortung der Anfrage“ inklusive Schreibgebühr und Mehrwertsteuer. Kann das gut gehen?
Offensichtlich war der Kostenvoranschlag keine neue Marotte der Marseille-Pressestelle, die für alle Journalistenanfragen gilt. Denn andere Redakteure, die später Fragen zum Sachverhalt stellten, blieben von Zahlungswünschen verschont. Die kuriose Reaktion galt offensichtlich allein dem Spiegel-Redakteur Gunther Latsch, der das auch sogleich im aktuellen Spiegel unter der Überschrift „Affären – Geld von Marseille“ berichtete.
Eigentor in der Krisen-PR
Erreicht haben die Marseille Kliniken mit diesen Sperenzchen nichts. Bundesweit wurde in den Medien darüber spekuliert, ob Ulrich Marseille seinen Geschäftsfreund Middelhoff aus dem Gefängnis herausholt. Doch obendrein gibt es jetzt die Häme der Journalisten, zum Beispiel online im Handelsblatt („PR-Desaster für Marseille Kliniken“) und im Stern.
Doch damit dürfte die blamable Showeinlage der Pressestelle nicht ausgestanden sein. So ein Verhalten ist für Journalisten nicht nur unprofessionell. Es ist ein Angriff auf die journalistische Arbeit. Und darauf wird es von den Medien wahrscheinlich noch Retourkutschen geben. Nicht heute, nicht morgen, aber die Marseille-Pressestelle wird sich in absehbarer Zeit in ihrer mutmaßlichen Einschätzung, dass Journalisten einfach schrecklich sind, bald bestätigt fühlen.
Das ist dann das zweite Missverständnis der Situation in Folge.
Jörg Forthmann
Update: Heute – 30. April 2015 – bringt kress.de ein Interview mit Ulrich Marseille zu dem Kostenvoranschlag. Lesenswert.