Wissen Sie, was es in der Krisen-PR bedeutet, wenn „Bild“ den Ketchup in Ihrer Kantine skandalisiert?
Haben Sie es auch gehört, das Aufstöhnen aus der VW-Vorstandsetage bei der letzten Bild-Geschichte? Die Mitarbeiter sind sauer auf ihre Bosse, weil die Rezeptur für den Curryketchup in den Werkskantinen geändert wurde. Was für ein Quatsch, denken Sie. Lesen Sie hier, was der Ketchup-Skandal für die VW-Presseabteilung wirklich bedeutet.
Auch wenn die Bild-Zeitung die Empörung der VW-Mitarbeiter über das neue Curryketchup-Rezept mit Foto groß bringt: Faktisch ist es auf den ersten Blick ein Mückenschiss: In den Kantinen des Autobauers werden pro Jahr sieben Millione Currywürste gegessen, und den Jungs im Blaumann schmeckt die neue Soße nicht. Auf den zweiten Blick ist es allerdings anders. Denn der Currywurst-Skandal zeigt, wie es um die Krisenkommunikation von Volkswagen gerade steht. Grottenschlecht.
Keine positiven Berichte über den ewigen Sünder VW
Der vorherrschende Mainstream in den Redaktionen ist, dass über den Autokonzern nur schlecht berichtet werden kann. Wenn jemand eine Negativstory bringt – und sei sie noch so banal – ist sie allemal besser als eine positive Geschichte. Gutmeinende Berichte über Volkswagen sind gerade nicht machbar, weil sie nicht „ins Bild passen“. Dem ewigen Sünder kann nicht etwas Gutes attestiert werden.
Damit verfestigt sich die Krisenkommunikation für VW unangenehm. Der kommunikative Turnaround ist nicht machbar, weil die Redaktionen ihn nicht mitgehen. Das ist das Ergebnis des jahrelang dahin schwelenden Dieselgate-Skandals mit immer neuen Enthüllungen, kombiniert mit praktizierter Kundenverachtung für hiesige VW-Käufer, die auf ihrem minderwertigen Fahrzeug sitzen bleiben – und Wolfsburg vermeldet Milliardengewinne. Das hat alles aus Mangementsicht seine Richtigkeit. Schließlich ist Deutschland längst nicht mehr der wichtigste Markt für die Autobauer. Empörung bei chinesischen Kunden würde in den VW-Vorstandsetagen wahrscheinlich zu mehr Besorgnis führen. Obendrein gibt die Rechtslage dieses Herumdrücken um eine ordentliche Schadenbereinigung in Deutschland her.
So weit, so gut. Die Menschen empfinden allerdings anders – und mit ihnen die Journalisten. VW hat absichtlich in großem Stil betrogen und lässt jetzt seine Kunden mit den Schäden allein. Das rächt sich in der Berichterstattung: So einer hat keine positive Berichterstattung verdient. Im Gegenteil. Deshalb ist der Currysaucen-Skandal für die VW-Presseabteilung ein böses Signal: Ihr steckt ganz tief im Dreck.
Krisen-PR a la Sisyphos
Mit Sicherheit wird sich die Pressestelle bemühen, irgendwie gute Berichterstattung anzustoßen. Doch das läuft wie bei Sisyphos: Selbst wenn es mal kleine Erfolg gibt, sind die Rückschläge größer. Nun mag man hoffen, dass sich Dieselgate ausheilt. Doch das wird noch Jahre dauern. Wenn das Topmanagement seine Unternehmenspolitik nicht ändert – und darauf muss niemand in der VW-Pressestelle ernsthaft hoffen – wird die Reputationsbilanz noch sehr lange tiefrot bleiben. Das Monatsgehalt ist dann nichts anderes als Schmerzensgeld. Wer das mag, sollte bleiben. Alle anderen sollten angesichts des Currysaucen-Skandals über ihre beruflichen Chancen nachdenken.
Topmanager müssen sich gute Krisenkommunikation auch verdienen. Dieser Gedanke ist den meisten Bossen allerdings fremd.
Jörg Forthmann