Gewollte Krisen-PR bei Penny
Penny provoziert mit schwulen Weihnachtsmännern. Offiziell geht es um „Vielfalt, Toleranz und Liebe“. Tatsächlich geht es wohl eher um einen bestellten Shitstorm. Was Penny’s Spiel mit dem Feuer gefährlich macht, lesen Sie hier.
Am Freitag informierte Penny seine 285.000 Facebook-Freunde, dass ab Montag ein besonderer Zipfelmann angeboten wird: in Regenbogen-Farben, einem Symbol der Schwulen-Bewegung:
„Willkommen im Team Zipfelmann: Unser neues Design steht für Vielfalt, Toleranz und Liebe! Ab Montag und nur für kurze Zeit findet ihr die neuen Zipfelmänner in eurem Penny-Markt!“
Penny-Manager Stefan Magel erklärt hochgestochen auf Nachfrage von Stern.de:
„Den zwei Regenbogen-Varianten haben wir die kulturübergreifende Botschaft für Frieden, Liebe, Toleranz und Weltoffenheit quasi auf den Schoko-Leib geschneidert. Werte, für die wir als Unternehmen ebenso stehen, wie die Mehrheit unserer Gesellschaft.“
Doch tatsächlich provoziert Penny wohl eher einen Shitstorm – und bekommt ihn.
„Regenbogenliebe“ soll Shitstorm provozieren
Schon in den vergangen Jahren verkaufte Penny den „Zipfelmann“ genannten Weihnachtsmann in anderen Outfits und löste große Verärgerung in den sozialen Netzwerke aus. Der schwule Weißbärtige ist eine weitere Zuspitzung.
Doch so sehr sich Penny bemüht, seine Aktion in Flowerpower-Manier zu präsentieren, so unzeitgemäß sind die schwulen Weihnachtsmänner. Normalerweise sind wirtschaftlich gute Zeiten ideal für mutige Kampagnen, denn die moralischen Wertevorstellungen werden lockerer. So haben Wirtschaftswissenschaftler schon vor Jahren herausgefunden, dass mit guter Konjunktur die Röcke kürzer werden. Die Business-Anzüge werden leger, und preußische Disziplin geht auf Sinkflug. Also müsste jetzt die beste Zeit sein, um eine Aktion gegen den überkorrekten Weihnachtsmann zu fahren.
Doch Soziologen sehen derzeit zwei große Gruppen in der Bevölkerung mit Existenzängsten:
- Der Mittelstand hat sich einen auskömmlichen Wohlstand erarbeitet. Doch dieser Wohlstand ist – subjektiv empfunden – in Gefahr. Euro-Krise, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit. All das bedroht das kleine Glück – und macht Angst.
- Die Abgehängten, die von dem Aufschwung nicht das abbekommen haben, was sie als gerecht empfinden. Sie fühlen sich zurückgesetzt. Überdurchschnittlich stark ist diese Gruppe in Ostdeutschland, wo Lebensläufe durch die deutsche Wiedervereinigung erschüttert wurden.
Flüchtlingskrise führt zur Renaissance der christlichen Werte
Die Flüchtlingswelle mit hunderttausenden von Migranten, die nach Deutschland kamen, haben diese Menschen mobilisiert. Sie sehen ihr Weltbild in Gefahr. In dieser Lage sind Schlagworte wie die „Deutsche Leitkultur“ entstanden. Die Verteidigung unserer christlichen Werte ist das Pendant zur gefühlten „Masseninvasion von Muslimen“.
In dieser aufgeheizten emotionalen Situation schickt Penny seine schwulen Weihnachtsmänner in die Regale. Der Moment könnte kaum schlechter gewählt sein. Wenn es gut geht, erntet der Lebensmittel-Discounter einen heftigen Shitstorm – und die Strategie geht auf. Mit etwas Pech wird die Penny-Aktion zum Aufhänger für die Diskussion, dass wir unsere christlichen Werte nicht in den Dreck ziehen dürfen. Dass wir uns gegen die „Islamisierung Deutschlands“ auflehnen müssen. Die Frage an die Kommunikatoren lautet: Sollte man für eine billige Marketingaktion dieses Risiko eingehen?
Jörg Forthmann